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20150716Zwangsraeumung-Hannover


Worum geht es?


Am 16.7.2015 wurde in einem der Gentrifizierung ausgesetzten Stadtteile Hannovers eine Wohnung mit Polizeigewalt "zwangsgeräumt". Das heißt, dass der Mieter gegen seinen Willen samt seinem Hab und Gut aus der Mietwohnung "entfernt" wurde.

Rund 50 Menschen hatten sich versammelt, um gegen diese Zwangsräumung zu protestieren. Es kam zu einer Blockade der Hauseingangstür durch die Versammlung.

In einem Brief an die Polizei Hannover stellen wir Fragen zu dem Umständen des von den Beteiligten der Demonstration durchweg als völlig übertrieben gewalttätig empfundenden Einsatzes von Polizeigewalt. In den Fragen geht es insbesondere um den Einsatz von Pfefferspray und um die allen Demoteilnehmern vorgeworfene Straftat des "Landfriedensbruchs" und etwaig daraus resultierenden Einträgen in bundesweite Polizeidatenbanken.


25.7.2015 - Anfrage an die Polizei Hannover


Sehr geehrte Damen und Herren,

anläßlich einer Versammlung und Blockade von Menschen im Rahmen einer angekündigten Zwangsräumung in Hannover-Linden-Mitte vom 16.7.2015, siehe u.a. die folgenden Berichterstattung:

http://www.haz.de/Hannover/Aus-den-Stadtteilen/Uebersicht/Aktivisten-wollen-Wohnungsraeumung-verhindern

http://www.neuepresse.de/Hannover/Meine-Stadt/Hannover-Zwangsraeumung-geraet-ausser-Kontrolle

http://www.presseportal.de/blaulicht/pm/66841/3073347

http://wohnraumfueralle.blogsport.de/2015/07/16/pressemitteilung-zur-zwangsraeumung-am16-07-2015/

sowie uns zu Ohren gekommenen Betroffenenberichten zu diesem Polizeieinsatz und dabei aufgeworfenen Fragen zur Verhältnismäßigkeit der polizeilich angewendeten Mittel, insbesondere bezüglich des polizeilichen Pfeffersprayeinsatzes, haben wir folgende Fragen an Sie und bitten um Beantwortung:

1.) Nach welchen Richtlinien, Vorschriften oder sonstigen Regeln sowie unter Berücksichtigung welcher Randbedingungen wird bei Einsätzen der Polizei Hannover über den Einsatz oder auch Nichteinsatz von Pfefferspray entschieden und nach welchen Vorgaben (z.B. Mindestabstand zur "Zielperson") wird dieses Zwangsmaßnahme durchgeführt? Welche Rahmenbedingungen und Gemängelagen spielen bei diesen Entscheidungsvorgängen eine Rolle? Sofern es schriftliche Vorschriften/Richtlinien/Regeln gibt bitten wir um deren Zitierung oder Beifügung.

2.) Gibt es Statistiken, Erhebungen oder sonstige Evaluationen bei der Polizei Hannover über die Häufigkeit des Einsatzes von Pfefferspray, den Zusammenhang der Einsätze sowie die dadurch resultierenden Verletztenzahlen auf Seiten von Polizei und anderen Betroffenen? Falls ja: Können Sie uns diese zugänglich machen?

3.) In welcher Art Behältnissen bzw. technischen Sprüh- und Spritzgeräten werden bei der Polizei Hannover Pfefferspray oder ähnliche Substanzen eingesetzt?

4.) Welche Marken/Sorten Pfefferspray von welchen Herstellern bzw. welche Substanzen in welcher Zusammensetzung werden bei der Polizei Hannover derzeit verwendet? Gibt es hierfür technische bzw. chemische Gefährdungs- und/oder Sicherheits-Datenblätter und wenn ja, können Sie uns diese zugänglich und damit öffentlich machen?

5.) Welcher Art Pfefferspray und welche Behältnisse wurden konkret bei dem o.g. Einsatz eingesetzt?

6.) Welche konkreten Anhaltspunkte begründen die pauschal zu allen über 50 Versammlungsteilnehmern eingeleiteten Ermittlungen unter dem in der Presse genannten Straftatbestand "Landfriedensbruch"?

7.) Gibt es Statistiken, Erhebungen oder sonstige Evaluationen bei der Polizei Hannover die Aussage darüber erteilen, in wie vielen Fällen von Blockaden gegen den überwiegenden Teil der Blockadeteilnehmer Ermittlungen wegen Landfriedensbruch oder anderen Straftaten eingeleitet wurden und wie können wir Zugriff darauf bekommen?

8.) Ist es aus Ihrer Sicht mindestens theoretisch denkbar, dass die Einleitung eines solchen Strafverfahrens zur Eintragung in oder als zusätzlicher Vermerk in der vom BKA zentral geführten Zentraldatei "PMK-links-Z" oder vergleichbaren Landespolizeidateien führt?

9.) Wurden die personenbezogenen Daten der Blockadeteilnehmer oder Teile davon über KPMD, auf konventionellem Wege oder durch andere Verfahren (z.B. GETZ) an das Bundeskriminalamt oder andere, für vergleichbare Datenbanken zuständige, Stellen auf Landesebene weitergegeben?

Vielen Dank für die Mühen mit unseren Fragen und viele gute Grüße,

die Menschen von freiheitsfoo.


1.8.2015 - Beitrag des "Lindenspiegel"


Einen etwas ausgewogeneren Beitrag über die Geschehnisse gab es im Lokalblatt "Lindenspiegel":


1.8.2015 - Weitere brutale Räumung einer Blockade bei einer Demonstration in Bad Nenndorf


Ähnlich gewaltsam wie bei der Zwangsräumung ging die Polizei bei einer Sitzblockade in Bad Nenndorf vor - in einer Bildergalerie einer Tageszeitung gut dokumentiert. Erneut scheint man hierfür eigens eine "BFE-Einheit" der Polizei eingesetzt zu haben.


17.8.2015 - Ein paar Antworten von der Polizei Hannover auf unsere Nachfragen


Die Antworten, von uns digitalisiert:

Antwort der Polizeidirektion Hannover zu Frage 1:
Grundsätzlich richtet sich der Einsatz von Reizstofien in der Polizei des Landes Niedersachsen nach dem Erlass des Ministeriums für Inneres und Sport vom 29.08.2013. Weiterhin ist zu unterscheiden, ob es sich um geschlossene Einsätze oder einen Einsatz im polizeilichen Einzeldienst (z.B. im Einsatz- und Streifendienst) handelt. In geschlossenen Einsätzen erfolgt die Freigabe des Reizstoffeinsatzes durch den Polizeiführer, im Einzeldienst durch den Beamten selbst. Ferner ist zu unterscheiden, ob es sich um einen Einsatz des Reizstoffes als Zwangsmittel handelt, oder ob der Einsatz im Rahmen von Nothilfe/Notwehr erfolgt Entsprechende rechtliche Vorgaben finden sich im Niedersächsischen Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Nds. SOG) und im Strafgesetzbuch (StGB).
Antwort der Polizeidirektion Hannover zu Frage 2:
Es gibt keine Statistiken oder Evaluationen über den Einsatz von Pfefferspray bei der Polizeidirektion Hannover. Es erfolgt nur eine anlassbezogene Dokumentation. wie z.B. im Sachverhaltstext von Strafanzeigen.
Antwort der Polizeidirektion Hannover zu Frage 3 und 4 und 5 zusammen:
Es handelt sich wie oben zitiert um Landesvorgapen per Erlass. Es werden nur zugelassene Behälter und Reizstoffe eingesetzt. Eine Übersicht über die verwendeten Geräte und Substanzen finden Sie öffentlich zugänglich auf der Seite des Polizeitechnischen Institutes (PTI) der Deutschen Hochschule der Polizei unter:
Hier werden alle Fragen zu Geräten und Technik, sowie den enthaltenen Stoffen beantwortet.
Antwort der Polizeidirektion Hannover zu Frage 6:
Hierbei handelt es sich um laufende Ermittlungsverfahren. Auskunftsberechtigt ist hier nur die sachbearbeitende Staatsanwaltschaft.
Antwort der Polizeidirektion Hannover zu Frage 7:
Es gibt keine entsprechenden Statistiken oder Evaluationen bei der Polizeidirektion Hannover.
Antwort der Polizeidirektion Hannover zu Frage 8 und 9 zusammen:
Das Emittlungsverfahren bedarf inhaltlich der Auswertung und wird nach dieser gemäß den Richtlinien für den knminalpolizeilichen Meldedienst des Bundesknminalamtes abgearbeitet. Die Polizeidirektion Hannover hält die danach vorgeschriebenen Meldewege ein. Da es sich um ein laufendes Ermittlungsverfahren handelt, kann keine Stellungnahme zu Inhalten oder Spekulationen über Meldewege erfolgen.


21.8.2015 - Nachfragen an die Polizei Hannover


Sehr geehrte Damen und Herren,

vielen Dank für Ihre Antworten vom 17.8.2015 (Ihr Schreiben vom 11.8.2015).

a.) In der Frage Nr. 1 baten wir um "Zitierung oder Beifügung" der Erlasse bzw. Regelungen zum polizeilichen Einsatz von Pfefferspray: Könnten Sie uns bitte den von Ihnen erwähnten "Erlass des Ministeriums für Inneres und Sport vom 29.08.2013" zukommen lassen?

b.) Warum wird keine Statistik zum Einsatz von Pfefferspray, wie in unserer Frage Nr. 2 angerissen, geführt, wenn es doch immer wieder Klagen über angeblich unverhältnismäßigen Einsatz des Reizmittels durch die Polizei gibt?

c.) Unsere Frage Nr. 5 blieb unbeantwortet, ihre Klärung ergibt sich leider auch nicht durch das von Ihnen verlinkte Dokument. Wir bitten um Beantwortung der Frage: "Welcher Art Pfefferspray und welche Behältnisse wurden konkret bei dem o.g. Einsatz eingesetzt?" Konkretisierend: Wurde das Reizmittel OC oder PAVA eingesetzt?

d.) Das von Ihnen verlinkte Dokument beschreibt Pfefferspray-Waffen RSG 1 bis RSG 4. Werden bei der PD Hannover keine Pfefferspray-Waffen der Klassifizierung RSG 6 und RSG 8 eingesetzt?

e.) Damit wir auf unsere Frage Nr. 8 doch noch eine Antwort erhalten können, möchten wir sie Ihnen in leicht veränderter Form noch einmal stellen: Ist es rechtlich möglich, dass die Einleitung eines Strafverfahrens zum Tatvorwurf "Landfriedensbruch" zur Eintragung in oder als zusätzlicher Vermerk in der vom BKA zentral geführten Zentraldatei "PMK-links-Z" oder vergleichbaren Landespolizeidateien führt? Ist dieses auch dann rechtlich möglich, wenn die Ermittlungen eingestellt werden, wenn es also zu gar keinen Verurteilung kommt?

Vielen Dank für Ihre Mühen und viele gute Grüße,

die Menschen von freiheitsfoo.


25.8.2015 - Wir erhalten den Runderlaß zum Einsatz von Pfefferspray bei der niedersächsischen Polizei


Folgende E-Mail erreicht uns von der Polizei:

(...) bezugnehmend auf Ihre Email vom 21.08.2015 übersende ich Ihnen in der Anlage den entsprechenden Erlass zu Ihrer Frage a.).
Da unser Dezernatsteil urlaubsbedingt derzeit personell nur in Teilen besetzt ist, bitte ich Sie um Verständnis, dass die Beantwortung der weiteren Fragen b.) bis e.) etwas Zeit in Anspruch nehmen wird. Wir werden Ihnen die Antworten so schnell wie möglich übersenden.
Mit freundlichen Grüßen

Der Erlaß ist hier herunterzuladen.

Die Regelungen zum Einsatz von Pfefferspray sind denkbar knapp gehalten:

3. Einsatz
Es dürfen nur dienstlich zugewiesene RSG, RW oder RP eingesetzt werden; die jeweilige Gebrauchsanweisung des Herstellers ist verbindlich.
Außer in Fällen der Notwehr und Nothilfe hat der Einsatz von Reizstoffen zu unterbleiben, wenn es sich erkennbar um Kinder oder schwangere Frauen handelt. Die Einsatzentfernung von 1m (RSG 8 = 2M!) ist - außer in Fällen der Notwehr und Nothilfe - nicht zu unterschreiten.
Der Einsatz von Reizstoffen als Beimischung in Wasserwerfern oder Wasserarmaturen ist unzulässig.

Nun stellt sich die Frage, ob es sich im Fall der "Zwangsräumung" um Notwehr oder Nothilfe gehandelt hat und ob die räumlichen Bedingungen (eine zwischen Mauer und Hauswand eingepferchte Menge von sitzenden Demonstranten) den Einsatz der Pfefferspray-Waffe rechtfertigen. Ist der Mindestabstand von 1m eingehalten worden?


Kategorie(n): Anfragen Versammlungsfreiheit

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Zuletzt geändert am 25.08.2015 23:06 Uhr