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20161219Falschverdaechtigter-Berliner-Anschlag

Worum geht es hier?


Am Abend des 19.12.2016 wurde auf einen Weihnachtsmarkt in Berlin ein schlimmer Anschlag verübt.

Ähnlich wie bei dem Amoklauf am 22.7.2016 in München kam es in der Folge davon zu aufgeregter Medienberichterstattung, insbesondere viele Fernsehsender beteiligten sich an haltlosen Überlegungen, Verdächtigungen oder lieferten sogar ungenaue bis falsche Meldungen.

Unter anderem wurde noch am Abend des Attentats ein junger Mann aus Pakistan als mutmasslicher Attentäter festgenommen.

Am Tag nach dem Anschlag - der Generalbundesanwalt hatte am Morgen danach um 8:15 Uhr formell sämtliche Ermittlungen an sich gezogen - teilte die Karlsruher Generalbunesanwaltschaft mit, dass der Pakistani zu Unrecht beschuldigt worden ist und ließ den Mann frei.

Was ist aus dem Mann geworden und wie geht es ihm?

Dieser Mensch und viele persönliche Details seines Lebens sind fast einen Tag lang durch die öffentliche Berichterstattung geschliffen worden. Unter den Informationen waren auch viele, die nicht öffentlich hätten werden dürfen. Die Bundesregierung hat den pakistanischen Geheimdienst und andere Stellen des Landes kontaktiert und ausführlich Informationen über den Mann angefordert.

Wie kann dieser Mann nun weiterleben?

Warum wird diese Falschverdächtigung in der öffentlichen Diskussion bislang gänzlich ausgeblendet (Stand 23.12.2016, Erstellung der Wikiseite)?

Dise Wikiseite soll zum Sammeln und Archivieren von Fakten und Informationen zu dieser Sache dienen.


Bruchstückhafte Dokumentation der Berichterstattung zum Anschlag


FAZ, 20.12.16, 12:27


Quelle: http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/attacke-auf-weihnachtsmarkt-merkel-spricht-von-terroranschlag-14583700.html

Der mutmaßliche Fahrer wurde festgenommen. Am Dienstagmorgen haben die deutschen Sicherheitsbehörden ihn unter dem Namen Naved B. als mutmaßlichen Flüchtling identifiziert. Der wohl 23 Jahre alte Mann habe zwei Alias-Namen geführt, die dem erstgenannten Namen sehr ähnlich seien, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Dienstag aus Sicherheitskreisen. Auch die Tageszeitung „Die Welt“ hatte den Namen genannt. Die dpa berichtete auch, dass der Festgenommene die Tat bestreitet.

Er habe in einer Flüchtlingsunterkunft auf dem früheren Flughafen Berlin Tempelhof gewohnt, die am Dienstagmorgen von der Polizei durchsucht worden ist. Vier junge Männer Ende 20 aus dem Hangar 6 seien befragt worden, es gab aber keine Festnahmen, sagte Sascha Langenbach, Sprecher des Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten, am Dienstag.

Der Einsatz, an dem auch Kräfte der Spezialeinheit (SEK) beteiligt waren, habe um 3.00 Uhr mit bis zu 250 Beamten begonnen. Die Kräfte seien dann aber reduziert worden. Die Lage sei ruhig gewesen. Um 8.00 Uhr sei der Einsatz beendet gewesen.


Spiegel-Online, 20.12.16, 12:57


Quelle: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/berlin-anschlag-vermutet-mutmasslicher-taeter-naved-b-war-offenbar-polizeibekannt-a-1126641.html

Der Terrorverdächtige war der Polizei offenbar im Zusammenhang mit Ermittlungen zu einem sexuellen Übergriff bekannt geworden. Nach dpa-Informationen aus Sicherheitskreisen kam es im Juli im Zusammenhang mit einem sexuellen Übergriff des Mannes auch zu Beleidigungen. Einen entsprechenden Eintrag gebe es in der Inpol-Datenbank, dem länderübergreifenden Informationssystem der Polizeien. Auch der "Tagesspiegel" berichtet, dass gegen den mutmaßlichen Täter wegen sexueller Belästigung ermittelt worden sein soll.


FAZ, 20.12.16, 13:18


Quelle: http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/thomas-de-maiziere-anschlag-in-berlin-war-brutales-attentat-14584165.html

De Maizière bestätigte, dass es sich bei dem noch am Montag festgenommenen Mann, der der Fahrer des Lasters sein könnte, um einen Asylbewerber aus Pakistan handele. Er sei Silvester 2015 eingereist und registriert worden. Über das Asylverfahren sei noch nicht abschließend entschieden.

(...)

Der nach dem Lkw-Attentat festgenommene Terrorverdächtige stritt die Tat derweil am Dienstag ab. Der 23 Jahre alte Mann weise alle Vorwürfe von sich, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus Sicherheitskreisen. Der Mann sei am 31. Dezember 2015 über die Balkanroute und über Passau eingereist. Er stammt nach weiteren dpa-Informationen aus Pakistan. Die deutschen Sicherheitsbehörden identifizierten den Verdächtigen unter dem Namen Naved B. als mutmaßlichen Flüchtling. Deutschland hat derweil Kontakt mit pakistanischen Behörden aufgenommen.

Nach Angaben aus Sicherheitskreisen wurden pakistanische Behörden gebeten, gleich zwei Datensätze zu überprüfen: Beide tragen den gleichen Namen: Navid Balutsch (unterschiedliche Schreibweisen). Aber es gibt offenbar zwei Geburtsdaten und zwei Geburtsorte – einer in Afghanistan, in der Provinz Nimruz, einer in Pakistan. (...) Der Terrorverdächtige war der Polizei im Zusammenhang mit Ermittlungen zu einem sexuellen Übergriff bekannt geworden. Nach dpa-Informationen aus Sicherheitskreisen kam es im Juli im Kontext zu einem sexuellen Übergriff des Mannes auch zu Beleidigungen. Einen entsprechenden Eintrag gebe es in der Inpol-Datenbank, dem länderübergreifenden Informationssystem der Polizeien.

(...)

Der mutmaßliche Täter des Berliner Anschlags konnte nach einem Medienbericht dank des couragierten Einsatzes eines Augenzeugen gefasst werden. Der Zeuge sei dem flüchtenden Lastwagenfahrer gefolgt und habe dabei ständig über Handy die Notrufzentrale über die Position des Mannes informiert, sagte Polizeisprecher Winfrid Wenzel laut „Welt/N24“. Nach etwa zwei Kilometern Verfolgungsjagd habe schließlich die Besatzung eines Streifenwagens den Mann an der Siegessäule gestoppt. Mit Hilfe des Zeugen sei es möglich gewesen, den Verdächtigen zu fassen, sagte Wenzel.


tagesspiegel.de - 20.12.16, 15:14


Quelle: http://www.tagesspiegel.de/berlin/anschlag-am-breitscheidplatz-was-man-bisher-ueber-den-verdaechtigen-weiss/19155010.html

Was man bisher über den Verdächtigen weiß

Der mutmaßliche Attentäter Naved B. war wegen Sexualvergehen in Deutschland aktenkundig. Er soll seit einem Jahr in Deutschland leben, zuletzt wohnte er in der Flüchtlingsunterkunft in Berlin-Tempelhof. ##Naved B., der einen Lastwagen auf einen Berliner Weihnachtsmarkt gesteuert haben soll, ist in Pakistan geboren. Der nach der Amokfahrt festgenommene Mann hat sich offenbar bislang nicht zu der Tat bekannt. Der Verdächtige sage nur wenig, hieß es am Dienstag in Sicherheitskreisen. Im Gegenteil: Berlins Polizeipräsident Klaus Kandt deutete am Nachmittag an, dass es sich möglicherweise bei dem Festgenommenen nicht um den Täter handelt. "Wir tun alles, um den Tatverdacht zu erhärten, sollte das nicht der Fall sein, wird die Fahndung weiter gehen." - "Die Ermittlungen laufen noch, es ist unsicher, ob es der Fahrer war. Die Überprüfungen sind noch nicht zu Ende."

Der am Abend Festgenommen ist in Deutschland unter zwei ähnlichen Namen und zwei nahe beieinanderliegenden Geburtsdaten registriert gewesen, soll in jedem Fall aber 1993 geboren worden sind. Naved. B. sei der Polizei folglich mit mehreren Aliasnamen bekannt gewesen, die allerdings auf Transkriptionsprobleme zurückzuführen seien, hieß es von Berliner Beamten. Zudem war der Mann als möglicher Sexualtäter bekannt - gegen ihn wurde wegen sexueller Belästigung ermittelt. Ob dies in Berlin oder etwa Köln stattfand, war am Dienstagmorgen noch nicht zu klären. Er habe unterschiedliche Nationalitäten angegeben. Mal soll er behauptet haben, Afghane zu sein, ein anderes Mal sprach er von einer pakistanischen Staatsangehörigkeit.

Der RBB berichtet unter Berufung auf Sicherheitskreise, er sei am 31. Dezember 2015 in Passau nach Deutschland eingereist. Laut der Nachrichtenagentur Reuters soll er 23 Jahre alt sein.

Bei seiner Festnahme habe er nach bisherigem Kenntnisstand keine Waffen oder waffenähnliche Gegenstände bei sich gehabt, sagten Sicherheitskreise. Er soll sich auch nicht gegen die Polizeibeamten gewehrt haben. Es sei noch immer nicht hundertprozentig klar, ob der Mann der Täter sei, der den Lkw steuerte. "Wir halten das aber für wahrscheinlich", hieß es. Die Festnahme sei im Umfeld der Siegessäule erfolgt; ein Zeuge sei Naved B. laut RBB gefolgt.

(...)

Wie die BZ berichtet, wurde Naved B. in der Nacht kurz vor 2 Uhr von der Polizeiwache am Ernst-Reuter-Platz zu einem Hubschrauber gebracht. Vom militärischen Teil des Flughafens Tegel sei er nach Karlsruhe gebracht worden, wo die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen übernommen hat.


N24


Der dem Axel-Springer-Konzern zugehörige Fernsehsender N24 verweist in einer Meldung vom 20.12.2016 auf eine vorherige Meldung unter dem Titel "Mutiger Zeuge führt die Polizei zum Todesfahrer".

Diese Meldung (nun angeblich datiert mit 22.12.2016, zuvor stand dort lediglich "Stand: 11:59 Uhr"!) trägt am 22.12.2016 die Überschrift "Mutiger Zeuge führt die Polizei zum Verdächtigen". Man könnte mutmaßen, dass die Überschrift nachträglich geändert worden ist, ohne dieses deutlich zu machen. Ob es so ist, kann aber nicht überprüft werden.

Inhaltlich war die Meldung mindestens in der Behauptung falsch, dass der "mutige Zeuge" den zu Unrecht Beschuldigten vom Breitscheidplatz bis zu seiner Festnahme lückenlos verfolgt habe.


20.12.2016 - Pressemitteilung des Generalbundesanwalts zur Freilassung des Verdächtigen


Quelle: http://www.generalbundesanwalt.de/de/showpress.php?themenid=18&newsid=652

20.12.2016 - 70/2016

Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt: Freilassung des vorläufig festgenommenen Beschuldigten

Der wegen des Anschlags auf den Berliner Weihnachtsmarkt am 19. Dezember 2016 vorläufig festgenommene Beschuldigte ist am Abend auf Anordnung der Bundesanwaltschaft auf freien Fuß gesetzt worden. Die bisherigen Ermittlungsergebnisse ergaben keinen dringenden Tatverdacht gegen den Beschuldigten. Dieser machte in einer polizeilichen Vernehmung umfangreiche Angaben, bestritt jedoch eine Tatbeteiligung. Eine lückenlose Verfolgung des LKW-Fahrers nach dem durchgeführten Anschlag ist durch Augenzeugen nicht erfolgt. Die durchgeführten kriminaltechnischen Untersuchungen konnten eine Anwesenheit des Beschuldigten während des Tatgeschehens im Führerhaus des LKW bislang nicht belegen.


21.12.2016 - Verantwortung-von-sich-weisen des Bundesinnenministeriums


Der zu Unrecht Beschuldigte ist wohl nach Karlsruhe geflogen worden. Das jedenfalls sagt der Journalist Tilo Jung auf der Bundespressekonferenz am 21.12.2016 und fragt nach, ob er nach seiner Freilassung auch wieder nach Hause geflogen worden ist.

Der Vertreter des Bundesinnenministeriums weist die Frage ab und verweist auf die Zuständigkeit der Generalbundesanwaltschaft.

Schon sehr bemerkenswert, wie wenig man im BMI zu unbequemen Fragen Stellung beziehen möchte, während man ansonsten doch recht offensiv mit Informationen umgeht, wenn Sie bequemer erscheinen. So jedenfalls der Eindruck, den man gewinnen kann.

Der Ausschnitt der Bundespressekonferenz auf auf YouTube ab ca. 6'30" nachgeschaut und -gehört werden.


22.12.2016 - Presseanfrage an die Generalbundesanwaltschaft


Sehr geehrte Damen und Herren,

in Ihrer Pressemitteilung 70/2016 vom 20.12.2016

http://www.generalbundesanwalt.de/de/showpress.php?themenid=18&newsid=652

berichten Sie von der Freilassung eines vermutlich zu Unrecht Beschuldigten im Zusammenhang mit dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt am 19.12.2016.

Wir haben dazu folgende Fragen und würden uns über eine kurzfristige Beantwortung im Rahmen unserer Berichterstattung zum Thema sehr freuen:

1.) Stimmt es, dass der damals Beschuldigte vor seiner Freilassung nach Karlsruhe verbracht worden ist und falls ja, wann und auf welchem Wege ist das geschehen?

2.) Wann und wo wurde der Beschuldigte freigelassen?

3.) Falls sich der Mann zum Zeitpunkt der Freilassung nicht mehr in Berlin befand: Wie bzw. auf welchem Wege ist der Freigelassene nach Berlin zurückgekehrt?

4.) Bestehen auch nach der Freilassung des Beschuldigten Verdachtsmomente gegen den Beschuldigten?

5.) Der Beschuldigte ist aufgrund des zeitweise bestehenden Tatverdachts Mittelpunkt großen medialen Interesses geworden und in diesem Zusammenhang sind viele persönliche Informationen über die Person veröffentlicht worden? Gibt es Ermittlungen zu etwaig unzulässigen Datenübermittlungen an die Medien, Geheimnisverrat oder ähnlichem?

6.) Steht der freigelassenen Person ein Anrecht auf Entschädigung für das von Ihm mutmasslich zu Unrecht Erlebte und Erduldete zu und falls ja, auf welcher Rechtsgrundlage beruht dieser Entschädigungsanspruch und in welcher Art und Höhe ist dieser zu erwarten?

Vielen Dank für Ihre Arbeit und viele gute Grüße für eine möglichst ruhige und erholsame Weihnachtszeit,


22.12.2016 - Rückmeldung der Generalbundesanwaltschaft


Sehr geehrter Herr xxx,

hinsichtlich Ihrer unten angefügten Presseanfrage kann ich über die in der Pressemitteilung Nr. 70/2016 mitgeteilten Umstände hinaus zum Schutz des Persönlichkeitsrechts der betroffenen Person und aus ermittlungstaktischen Gründen zu den Fragen Nr. 1 bis 4 keine weitergehenden Angaben machen.

Für die in Ihrer Frage zu Nr. 5 angesprochene Entscheidung über die Aufnahme etwaiger Ermittlungen ist der Generalbundesanwalt nicht zuständig. Ebenso kann ich zu der Frage Nr. 6 bezüglicher etwaiger Entschädigungsansprüche keine Stellung nahmen.

Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
xxx
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof


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Zuletzt geändert am 23.12.2016 19:58 Uhr