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Brokdorf-Beschluss-leichte-Sprache
In Schleswig-Holstein sollte ein Atom-Kraft-Werk gebaut werden. Viele Menschen haben sich deswegen große Sorgen gemacht. Sie wollten das nicht. Sie haben oft demonstriert. Eine besonders große Demonstration im Jahr 1981 wurde verboten. Die Menschen haben trotzdem protestiert. Wegen des Verbotes sind einige Menschen zum Gericht gegangen. Sie wollten wissen, ob das Verbot der Demonstration gerecht war. Im Jahr 1985 gab es dazu einen Gerichts-Prozess. Das Gerichts-Verfahren fand vor dem Bundes-Verfassungs-Gericht statt. Das Bundes-Verfassungs-Gericht in Karlsruhe ist das höchste Gericht in Deutschland. Das Atom-Kraft-Werk steht in der Nähe eines Ortes mit dem Namen „Brokdorf“. Darum heißt das Urteil des Gerichtes "Brokdorf-Beschluss". Wir haben einige Teile des Brokdorf-Beschlusses in leichte Sprache übertragen. Das sind aber nur ein paar Aus-Schnitte aus dem viel längeren Gerichts-Urteil.
Die Kläger haben Recht: Das Verbot der Demonstration war un-recht. In diesem Gerichts-Prozess haben sich Menschen beschwert, sie seien in ihrer Freiheit zu Demonstrieren behindert worden. Es geht dabei um die Versammlungs-Freiheit. Eine Versammlung ist ein Treffen von Menschen, die anderen Menschen etwas mitteilen möchten. Eine Demonstration ist eine Versammlung. Ein Protest oder eine Mahn-Wache sind auch eine Versammlung. Im Artikel Nummer 8 unseres Grund-Gesetzes steht, was man unter Versammlungs-Freiheit versteht: Der Artikel 8 des Grund-Gesetzes: Alle Deutschen haben das Recht, sich zu treffen und zu protestieren. Dazu muss man sich nicht anmelden. Sie dürfen aber nur friedlich und ohne Waffen demonstrieren.
Für Demonstrationen im Freien darf man ein besonderes Gesetz erlassen. Dieses Gesetz darf Regeln für eine solche Demonstration aufstellen.
Das Gericht urteilt: Der Vorwurf stimmt! Die Versammlungs-Freiheit der Klagenden wurde zu sehr behindert! Die Versammlungs-Freiheit sollen alle Menschen haben. Das steht im Artikel 8 des Grund-Gesetzes. Versammlungs-Freiheit ist wichtig, damit sich die Menschen austauschen können. Sie hilft den Menschen, sich zu entfalten. Die Versammlungs-Freiheit gilt aber nicht nur dann, wenn sich Menschen unterhalten oder diskutieren. Sie gilt immer, wenn mehrere Menschen ihre Meinung sagen. Es ist den Menschen überlassen, wie sie das tun. Die Versammlungs-Freiheit gilt auch, wenn die Menschen dabei gar nicht reden, sondern plakativ Stellung beziehen Plakativ bedeutet hier z.B. das Ausdrücken der Meinung mit Bildern, Liedern oder Theater. Die Menschen sollen dabei besonders geschützt und unterstützt werden, wenn sie als Gruppe ihre Meinung ausdrücken wollen.
Über die Wichtigkeit Versammlungs-Freiheit. Das Recht auf Versammlungs-Freiheit ist ein Grund-Recht. Ein Grund-Recht ist ein besonders wichtiges Recht. Mit dem Grund-Recht auf Versammlungs-Freiheit können sich die Menschen öffentlich äußern. Besonders Minderheiten sind durch Grund-Rechte geschützt. Die Menschen dürfen zum Beispiel selber bestimmen, wo sie demonstrieren. Sie dürfen selber entscheiden, wann sie demonstrieren. Die Menschen dürfen sich aussuchen, wie sie demonstrieren. Über den Inhalt der Demonstration bestimmen nur sie selber. Niemand darf gezwungen werden, an einer Demonstration teilzunehmen. Niemand darf an der Teilnahme an einer Demonstration gehindert werden. Jeder Mensch darf sich ohne Anmeldung mit anderen Menschen treffen und mit diesen demonstrieren. Diese Versammlungs-Freiheit steht für Unabhängigkeit und Selbst-Bestimmtheit der Menschen. Staatliche Behörden müssen sich aus Demonstrationen so weit wie möglich heraus halten.
Meinungs-Freiheit und Versammlungs-Freiheit sind wichtig für die Menschen. Die Sorge vor Missbrauch der Versammlungs-Freiheit darf nicht im Vordergrund stehen. Jeder Mensch hat das Recht auf freie Rede. Er darf seine Meinung ungehindert sagen. Er darf seine Meinung ungehindert aufschreiben. Er darf seine Meinung auch auf andere Art und Weise ausdrücken. Das alles nennt man Meinungs-Freiheit (Artikel 5 GG). Meinungs-Freiheit ist wie die Versammlungs-Freiheit ein Grund-Recht. Ohne Meinungs-Freiheit gibt es keine Demokratie. Meinungs-Freiheit ist ein Menschen-Recht. Sie steht jedem Menschen zu. Seine Meinung zu sagen ist Teil der menschlichen Persönlichkeit. Erst durch Meinungs-Freiheit entstehen demokratische Gesellschaften. Meinungs-Austausch und Diskussionen sind wichtig für eine Demokratie. Versammlungs-Freiheit ist die praktizierte Meinungs-Freiheit von mehreren Menschen zusammen. Demonstrationen sind eine Form von praktizierter Versammlungs-Freiheit. Durch das Demonstrieren äußern die Demonstranten ihre Überzeugungen. Demonstrieren lässt die Menschen sich entfalten. Durch das Demonstrieren bezeugen die Demonstranten ihre Überzeugungen. Dazu begeben sie sich in die Öffentlichkeit. Die Art des Auftretens der Demonstranten ist Teil der gemeinsamen Meinung-Äußerung. Der Umgang der Demonstranten untereinander ist Teil der gemeinsamen Meinungs-Äußerung. Und die Wahl des Demonstrations-Ortes ist Teil der Meinungs-Äußerung. Es besteht die Möglichkeit, dass Menschen die Versammlungs-Freiheit missbrauchen. Auf Demonstrationen soll man nicht andere Menschen zu Straftaten aufwiegeln. Demonstrationen bieten Raum zum Ausdruck von Gefühlen, Sorgen und Ängsten. Auf Demonstrationen soll man aber nicht gegen andere aufhetzen oder missbräuchlich mit Gefühlen anderer spielen. Man darf nicht gewalttätig werden. Die Sorge vor dem Missbrauch einer Demonstration darf die Versammlungs-Freiheit aber nicht grundsätzlich beeinträchtigen. Auch Meinungs-Freiheit darf man aus Angst vor Missbrauch nicht grundsätzlich beeinträchtigen. Und auch die Freiheit der Presse darf man aus Angst vor Missbrauch nicht grundsätzlich beeinträchtigen.
Versammlungs-Freiheit ist wichtig für die Gesellschaft und ihre Weiter-Entwicklung. Der Staat soll sich aus Demonstrationen möglichst heraus halten. Die Versammlungs-Freiheit hat eine grundsätzliche Bedeutung. Sie ist wichtig für die Willens-Bildung in einer Demokratie. Vor vielen Jahren hat das Bundes-Verfassungs-Gericht ein Urteil gefällt, in dem es um das Verbot einer Partei ging. Das Gericht hat gesagt: Eine Gesellschaft ist eine zusammen lebende Gruppe von Menschen. Ein Staat ist eine Organisationsform einer Gesellschaft. Die Verhältnisse in einer Gesellschaft hängen von ihrer Geschichte ab. Die Verhältnisse in einer Gesellschaft hängen von ihrer vorherigen Entwicklung ab. Diese Verhältnisse können und sollten immer weiter verbessert werden. Die Menschen in der Gesellschaft müssen gemeinsam über die Verbesserungen nachdenken. Dazu müssen sie einen gemeinsamen Willen entwickeln. Diesen Prozess nennt man Willens-Bildung. Die Menschen in einer Gesellschaft entscheiden sich für einen gemeinsamen Weg. Manchmal führt das zu einer Verbesserung der Verhältnisse. Aber manchmal verschlechtern sich die Verhältnisse dadurch. Dann wird ein besserer Weg gesucht. Diesen Prozess nennt man "trial and error". "Trial and error" ist englisch und heißt auf deutsch: "Versuch und Irrtum". Zur Willens-Entscheidung einer Gesellschaft gehören Diskussionen. Zur Willens-Entscheidung gehören gegenseitige Kontrolle und Kritik. In einer Gesellschaft von vielen Menschen gibt es viele verschiedene Kräfte. Manche Gruppen von Menschen haben besonders viel Einfluss auf die Gesellschaft. Andere Gruppen von Menschen oder Einzelne haben weniger Einfluss. Das Bundes-Verfassungs-Gericht sagt: Die Menschen einer Gesellschaft sollen zusammen einen gemeinsamen Willen bilden. Die Willens-Bildung darf aber nicht nur von den Staats-Organen bestimmt werden. Der Bundestag ist ein Staats-Organ. Ein Ministerium und eine Behörde sind Staats-Organe. Bundeskanzler, Bundespräsident die Regierung und das Bundes-Verfassungs-Gericht sind auch Staats-Organe. Bei der Willens-Bildung einer Gesellschaft sollen diese Staats-Organe auf die Menschen in der Gesellschaft hören. Die Menschen dürfen die Bundesregierung und den Bundestag wählen. Das reicht zur Willens-Bildung aber nicht aus. Die Menschen sollen sich ständig in die Meinungs-Bildung einmischen. Aus der Bildung einer Meinung erwächst die Willens-Bildung. Die Meinungs-Bildung muss frei sein. Die Meinungs-Bildung muss offen passieren. Die Meinungs-Bildung darf nicht durch Vorschriften oder Regeln beschränkt werden. Der Staat muss diese Meinungs-Bildung zulassen und Versammlungen müssen staats-frei sein. Das heißt: Die Staats-Organe müssen sich aus der Meinungs-Bildung durch Demonstrationen so weit wie möglich heraus halten.
Die Demonstration als ausgleichendes Mittel für die Ohnmächtigen. Menschen beteiligen sich unterschiedlich stark an der gemeinsamen Meinungs-Bildung. Manche großen Verbände oder Vereine können großen Einfluss auf die Meinungs-Bildung ausüben. Menschen mit viel Geld und große Zeitungen oder Fernsehsender können auch viel Einfluss haben. Nur wenige Menschen bekommen eine Gelegenheit zur Äußerung ihrer Meinung in Zeitung, Radio und Fernsehen. Dem gegenüber erlebt sich ein einzelner Mensch als machtlos, hilflos und verloren. Er kann sich in Parteien und in Gruppen oder Vereinen engagieren. Dadurch kann er manchmal seine Meinung in die Diskussion einbringen. Aber nicht immer. Um die Öffentlichkeit zu erreichen brauchen auch Gruppen und Vereine manchmal Demonstrationen. Und dem Einzelnen bleibt die Beteiligung an einer Demonstration. Oder er setzt eine Demonstration von sich aus in Gang. Eine Demonstration ist die kollektive Nutzung der Versammlungs-Freiheit. Mit einer Demonstration nimmt man Einfluss. Wenn die Versammlungs-Freiheit ernst genommen und durchgesetzt wird spricht man von un-behinderten Demonstrationen. Un-behinderte Demonstrationen helfen gegen Ohnmacht. Schlechte Erfahrungen mit dem Staat und den Staats-Organen führen zu Verdrossenheit und Frust. Verdrossenheit und Frust können gefährliche Folgen bewirken. Un-behinderte Demonstrationen wirken gegen Staats-Verdrossenheit und Frust. Deswegen ist die Versammlungs-Freiheit so wichtig. Mit un-behinderten Demonstrationen kann Einfluss auf ansonsten un-gerechte Macht-Verhältnisse genommen werden.
Demonstrationen als wichtiges Gegen-Gewicht zur Über-Macht von Bürokratie und Staats-Organen. Demonstrationen stabilisierne die Demokratie. Demonstrationen sind ein wichtiger Teil einer demokratischen Gesellschaft. Demonstration erzeugen in einer Gesellschaft Offenheit für Veränderungen. Demonstrationen beeinflussen politische Prozesse. Demonstrationen enthalten ein Stück ursprünglich-un-gebändigter Demokratie. Demonstrationen können den Politik-Betrieb vor der Erstarrung in geschäftiger Routine bewahren. Demonstrationen sind grundlegend für das Funktionieren einer Demokratie. Sie sind dafür unentbehrlich. In einer Demokratie gilt einerseits das Mehrheits-Prinzip. Die Menschen wählen das Parlament. Im Parlament bildet sich eine Mehrheit. Diese Mehrheit bildet die gewählte Regierung. Das Parlament erlässt die im Staat für alle geltende Gesetze. Die Regierung organisiert und bestimmt viele der Staats-Organe. Die Staats-Organe und die Bürokratie haben viel Macht. Zwischen den Wahlen haben die Bürger nur noch wenig Einfluss. Minderheiten haben ebenfalls nur einen geringen Einfluss. Die Entscheidungen der Regierung und die Arbeit der Staats-Organe müssen für einen Schutz der Minderheiten sorgen. Wenn die Entscheidungen der Regierung und das Tun der Staats-Organe von den Menschen nicht akzeptiert werden und die Menschen nicht kooperieren, sind sie wirkungslos. Deswegen müssen Minderheiten auf Meinungs-Bildung und Willens-Bildung einen gewissen Einfluss ausüben können. Demonstrationen helfen dabei. Mit Demonstrationen können die Menschen auf Fehler und auf schlechte Entscheidungen und Entwicklungen aufmerksam machen. Demonstrationen können Druck auf Regierung und Staats-Organe ausüben. Demonstrationen stabilisieren die Demokratie. Demonstrationen wirken wie ein politisches Früh-Warn-System. Demonstrationen zeigen Probleme und Störungen an. Demonstrationen machen Integrations-Defizite sichtbar. Demonstrationen machen eine Kurs-Korrektur der offiziellen Politik möglich.
(Orginal-Brokdorf-Beschluss als TXT-Datei)
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