Wichtige Seiten Hilfestellungen Externe Links Alle Inhalte dieses Wikis, soweit nicht anders angegeben, unter Creative Commons CC-BY-SA |
Main /
MIT-BND-UeberwachungskomplexWorum geht es?
Es stellen sich einige Fragen: Wie plausibel ist dieser Vorgang, dass also der MIT von der Verschwiegenheit des BND ausgegangen sein soll (und warum sonst hätte er diese Liste ausgehändigt)? Es gibt mindestens drei Varianten eines Szenarios zu diesem Vorgang: 1.) Der türkische Geheimdienst MIT ging mit Recht davon aus, dass der BND diese Liste geheim halten und nicht oder nur sehr beschränkt reagieren würde. Das wirft dann die Frage nach der Haltbarkeit des Eigenlebens des BND auf, denn ohne die investigative Journalisten-Recherche wäre der Sachverhalt sonst nie öffentlich geworden. 2.) Der türkische Geheimdienst MIT spielt ein "falsches Spiel" (können Geheimdienste überhaupt "ehrlich" sein?) und verfolgt mit dem Vorgang eigene Ziele, die auf den ersten Blick weniger offenbar sind. Diese Wikiseite soll Teile des gesamten Komplexes dokumentieren und zugleich Rechercheergebnis-Sammelbecken für alles weitere dazu sein.
Dokumentation der Berichterstattung zur Sache
27.3.2017 - 17:19 - tagesschau.deTürkischer Geheimdienst Gülen-Anhänger in Deutschland bespitzelt Anhänger der Gülen-Bewegung werden hierzulande offenbar auch vom türkischen Geheimdienst ausspioniert. Nach Informationen von NDR, WDR und SZ existieren detaillierte Namenslisten der Betroffenen. Sicherheitsbehörden sind entsetzt über das Ausmaß der Bespitzelung. Von Georg Mascolo, NDR Der türkische Geheimdienst spioniert offenbar im großen Umfang Anhänger der sogenannten Gülen-Bewegung in Deutschland aus. Nach Informationen von NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung" übergab der Chef des türkischen Geheimdienstes MIT am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz eine Liste mit den Namen von Hunderten in Deutschland lebenden angeblichen Gülen-Anhängern an den Präsidenten des BND. Auf der Liste finden sich auch Meldeadressen, Handy- und Festnetz-Nummern sowie in vielen Fällen auch Fotos der Betroffenen. Die Türkei behauptet, dass die Gülen-Bewegung hinter dem gescheiterten Militärputsch steckt und verfolgt ihre Anhänger als Terroristen. Konspirativ aufgenommene Fotos aus dem Alltag BND-Präsident Bruno Kahl übermittelte die im Februar übergebene Liste an Bundesregierung und Verfassungsschutz, auch das Bundeskriminalamt und der Generalbundesanwalt wurden informiert. Inzwischen wurden Polizeibehörden und der Verfassungsschutz in den Bundesländern eingeschaltet. BND-Präsident Bruno Kahl erhielt offenbar die Liste mit Namen von Gülen-Anhängern in Deutschland. Eine Auswertung ergab, dass etliche der Fotos auf der Liste offenbar heimlich aufgenommen wurden, etwa durch Überwachungskameras. Insgesamt befinden sich mehr als 300 Personen und mehr als 200 angeblich der Gülen-Bewegung zuzurechnenden Vereine, Schulen und andere Einrichtungen in dem Dossier des türkischen Dienstes. Sorge um Sicherheit der Betroffenen Aus Sorge um die Sicherheit der Betroffenen sind erste Bundesländer dazu übergegangen, diese vor den Nachstellungen des MIT zu warnen. In Niedersachsen hat die Spionageabwehr des Verfassungsschutzes die Aufgabe übernommen, in Nordrhein-Westfalen koordiniert das Landeskriminalamt eine sogenannte "Gefährdeten-Ansprache". Ein Sprecher des LKA erklärte gegenüber NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung", man müsse "diese Listen sehr ernst nehmen. Deswegen war für uns wichtig, diese Menschen zu warnen, damit sie wissen, wenn sie in die Türkei reisen, wenn sie türkisches Hoheitsgebiet betreten, dass möglicherweise Repressalien auf sie warten." Die Polizei in Nordrhein-Westfalen warnt auch vor dem Betreten von türkischen diplomatischen Einrichtungen in Deutschland. Man müsse sehr "sorgfältig überlegen, ob man solche Einrichtungen betreten kann, als Mensch der auf solch einer Liste steht". Seit diesem Montag kann dort über das umstrittene Referendum abgestimmt werden. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan will damit die bisherige parlamentarische Demokratie in ein Präsidialsystem umwandeln. Deutsche Sicherheitsbehörden sind schockiert In den deutschen Sicherheitsbehörden hat inzwischen eine Debatte über die Konsequenzen des türkischen Vorgehens begonnen. "Wir sind entsetzt darüber, wie offen die Türkei zu erkennen gibt, dass sie hier lebende Türken ausspioniert", heißt es in Kreisen deutscher Sicherheitsbehörden. Kritik gibt es auch daran, dass es offenbar keine hinreichend abgestimmte Linie gibt, ob die auf der Liste des türkischen Geheimdienstes stehenden Personen gewarnt werden sollen - und wer diese Aufgabe übernimmt. Experten der Spionageabwehr haben damit begonnen, die Liste auszuwerten, um herauszufinden, wie der türkische Geheimdienst MIT an die Informationen gekommen sein kann. Bereits seit einiger Zeit ermittelt der Generalbundesanwalt wegen des Verdachts der Spionage beim bundesweiten Dachverband der türkischen Moschee-Gemeinden, DITIB. Imame sollen Informationen über Gülen-Anhänger nach Ankara übermittelt haben. Die Bundesregierung sieht keine Beleg dafür, dass die Gülen-Organisation in den Militärputsch verwickelt war. "Die Türkei hat auf den verschiedensten Ebenen versucht, uns davon zu überzeugen", sagte BND-Chef Kahl unlängst in einem Interview mit dem "Spiegel". "Das ist ihr aber bisher nicht gelungen."
28.3.2017 - tagesschau.de
Bericht über türkische Spionage Generalbundesanwalt nimmt Ermittlungen auf Der türkische Geheimdienst soll Anhänger der Gülen-Bewegung in Deutschland ausspioniert haben. Der Generalbundesanwalt hat nun Ermittlungen aufgenommen. Innenminister de Maizière erklärte, Spionage auf deutschem Boden werde nicht geduldet. Der Generalbundesanwalt hat wegen des Verdachts, dass Anhänger der sogenannten Gülen-Bewegung in Deutschland ausgeforscht werden, Ermittlungen aufgenommen. Die Behörde bestätigte auf Anfrage von NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung", dass sich das Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Spionage gegen bisher unbekannte Angehörige des türkischen Nachrichtendienstes MIT richte. Die Sprecherin der Behörde, Frauke Köhler, erklärte: "Der Erfolg unserer Ermittlungen wird wesentlich von den Erkenntnissen abhängen, die uns von den deutschen Spionage-Abwehrbehörden mitgeteilt werden." Liste mit Namen übermittelt Der MIT-Chef hatte im Februar seinem BND-Kollegen in München eine Liste mit den Namen, Wohnanschriften, Telefon-Nummern und in vielen Fällen auch Fotos von mehr als 300 angeblichen Gülen-Anhängern in Deutschland übermittelt. Die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan macht die Gülen-Bewegung für den gescheiterten Militär-Putsch in der Türkei verantwortlich und bezeichnet ihre Mitglieder als Terroristen. Gestern war bekannt geworden, dass der türkische Geheimdienst offenbar im großen Umfang Anhänger der sogenannten Gülen-Bewegung in Deutschland ausspioniert. Vorsichtige bis empörte Reaktionen in Politik In der Politik waren die Reaktionen auf den Spionageverdacht gespalten. Bundesaußenminister Sigmar Gabriel wollte "weder bestätigen noch dementieren", dass der MIT mutmaßliche Gülen-Anhänger ausspioniert haben könnte. Man müsse "der Sache erstmal richtig nachgehen", sagte Gabriel. Dafür sei nun eine gründliche Untersuchung notwendig. Etwas expliziter wurde Innenminister Thomas de Maizière im Interview mit dem Bayrischen Rundfunk: Die Bundesregierung habe der Türkei "schon mehrfach gesagt", dass "Spionageaktivitäten auf deutschem Boden" strafbar seien und "nicht geduldet würden". Noch deutlicher reagierte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann auf den Spionageverdacht. Die Bundesregierung dürfe nicht zulassen, dass "unbescholtene Bürger" bespitzelt würden. Der türkische Geheimdienst habe insoweit in Deutschland nichts zu suchen. Oppermann betonte, dass sich die Türkei seit dem gescheiterten Militärputsch im vergangenen Jahr "immer stärker von einer Demokratie zu einer autoritären Staatsform" entwickle und Präsident Erdogan einen "ungeheuren Schaden" anrichte. Mit Informationen von Georg Mascolo, NDR
29.3.2017 - DLFTürkischer Geheimdienst Der türkische Geheimdienst hat offenbar auch die SPD-Bundestagsabgeordnete Michelle Müntefering ausspioniert. Fraktionschef Oppermann bestätigte, dass die Parlamentarierin auf der Liste des türkischen Geheimdiensts stand, die der BND erhalten hat. Er forderte Bundeskanzlerin Merkel auf, gegen das Vorgehen des Geheimdienstes einzuschreiten. Müntefering selbst sagte, es handele sich um einen Versuch, kritische Positionen zu unterdrücken. Als Vorsitzende der Deutsch-Türkischen Parlamentariergruppe stehe sie für Dialog und klare Worte, mit den unterschiedlichsten und schwierigsten Gesprächspartnern im In- und Ausland. Mit dem Vorgehen des türkischen Geheimdienstes werde erneut und deutlich eine Grenze überschritten. Nach Angaben von Innenstaatssekretär Krings enthält die Liste zudem den Namen einer weiteren Politikerin.
30.3.2017 - DLFSpionage De Maizière droht türkischen Agenten mit Konsequenzen Bundesinnenminister de Maizière hat angesichts der Spionagevorwürfe gegen den türkischen Geheimdienst mit harten Konsequenzen gedroht. Auslandsaufklärung sei in Ordnung, sagte der CDU-Politiker im ZDF. Aber insgeheim mit Mitarbeitern, die nicht registriert seien, in Deutschland Spionage zu betreiben, das gehe nicht. De Maizière brachte die Ausweisung daran beteiligter Personen oder anderweitige Strafen ins Spiel. Nach der Übergabe einer Liste mit den Namen angeblicher Gülen-Anhänger habe die Türkei nicht ernsthaft erwarten können, dass Deutschland gegen diese Ermittlungen aufnehme, fügte er hinzu. Möglicherweise sei es Ankara dabei um Provokation gegangen.
30.3.2017 - telepolis
Spionage-Affäre um Türkei beschäftigt Berlin weiter Innenminister schließt gezielte Provokation durch Ankara nicht aus. Vorwürfe wegen Veröffentlichung von Geheimdienst-Liste Nachdem die Linken die Bundesregierung am Mittwochnachmittag nach den Konsequenzen aus der Spionage-Offensive des türkischen Geheimdienstes MİT befragt haben, äußerte sich heute Innenminister Thomas de Maizière. Der CDU-Politiker mutmaßte im ZDF-Morgenmagazin, dass es sich bei der Lancierung einer Liste mutmaßlicher Sympathisanten der Hizmet-Bewegung des Predigers Fethullah Gülen um eine gezielte Provokation der Türkei gehandelt haben könnte, die auf einen Skandal setzte. Es sei nicht auszuschließen, dass MİT-Chef Hakan Fidan die Liste seinem Amtskollegen vom Bundesnachrichtendienst (BND), Bruno Kahl, übergeben hat, um "die türkischen Beziehungen mit uns zu belasten, uns in irgendeiner Weise zu provozieren", so de Maizière. Er gehe jedenfalls nicht davon aus, dass die Liste von der türkischen Seite "naiv" ausgehändigt worden sei. Fidan hatte von den deutschen Behörden gefordert, die gelisteten Personen und Organisationen zu überwachen. Nach Erkenntnissen des Rechercheverbandes aus Süddeutscher Zeitung, WDR und NDR hatte Fidan die Liste mit den Namen von mehr als 300 Menschen und Einrichtungen in Deutschland am Rande der sogenannten Sicherheitskonferenz in München an Kahl übergeben. Die Personen und Organisationen sollen mit der Gülen-Bewegung in Verbindung stehen oder sie unmittelbar unterstützen. Die Bewegung um den in den USA im Exil lebenden Prediger wird von der türkischen Regierung für den Putschversuch vom vergangenen Juli verantwortlich gemacht. Der BND und andere westliche Beobachter stellen diese These in Frage. Im Rahmen der parlamentarischen Fragestunde am Mittwoche hatte die Linken-Abgeordnete Sevim Dagdelen die Bundesregierung nach Konsequenzen aus dem Skandal gefragt – ohne jedoch konkrete Antworten zu erhalten. Auch auf andere parlamentarische Anfragen hält sich die Bundesregierung bislang sehr zurück und verweist auf Geheimschutzabkommen mit den türkischen Diensten. Der BND hatte das Dokument zuvor der Bundesregierung und anderen Behörden zugeleitet. Polizeibehörden von Bund und Ländern hatten daraufhin Personen, die im Visier des MİT stehen, vor der Verfolgung gewarnt. "Schwerer nachrichtendienstlicher Fehler" Indes übte de Maizière Kritik an der Veröffentlichung der Liste. Die Behörden hätten besser noch weiter ermitteln sollen, sagte er. Es habe offenbar aber keine verbindlichen Absprachen zwischen Bund und Ländern über die Handhabung der Liste aus Ankara gegeben, sagte der Innenminister. Der innenpolitische Sprecher der CSU, Hans-Peter Uhl, griff in diesem Zusammenhang direkt den niedersächsischen Innenminister Boris Pistorius (SPD) an, weil dieser Aktivitäten des MİT in Deutschland publik gemacht hatte. Dies sei ein "schwerer nachrichtendienstlicher Fehler" gewesen, so Uhl am heutigen Donnerstag gegenüber dem Handelsblatt. Am Vortag war im Rahmen der Bundestagsdebatte herausgekommen, dass die SPD-Bundestagsabgeordnete Michelle Müntefering offenbar auch vom MİT observiert wurde. Die Sozialdemokratin sei in der Sparte "Machtzentren und Nichtregierungsorganisationen" wegen ihrer angeblich "guten Beziehungen" zur Hizmet-Bewegung aufgeführt gewesen.
Pressenachfragen
29.3.2017 - Presseanfrage an Herrn Bosbach nach dessen DLF-Interview am Morgen dieses Tages
heute früh begründeten Sie im DLF-Interview die Frage, warum der BND nach Benachrichtigung seitens des türkischen Geheimdienstes MIT während der Münchner Sicherheitskonferenz (17.-19.2.2017) nicht bereits öffentlich auf die Problematik hingewiesen hat, wie folgt: "Ich bin mir nicht sicher, ob es immer klug ist, alles sofort in die Öffentlichkeit zu tragen, auch wenn es natürlich ein legitimes öffentliches Interesse gibt, aber Vorrang hatte wohl die Information derjenigen, die ausspioniert worden sind." Das impliziert die Annahme, dass alle seitens des MIT gelisteten Personen als "Gefährdete" (Ihre eigene Wortwahl) seither angesprochen worden sind. Unsere Frage: Können Sie dies bestätigen? Wir möchten über den Vorgang berichten und dafür ist dieses Detail von Bedeutung - über eine kurzfristige Rückmeldung würden wir uns sehr freuen. Vielen Dank und viele gute Grüße,
29.3.2017 - Antwort von Herrn Bosbach
Sehr geehrter Herr xxx, in obiger Sache beziehe ich mich auf Ihre E-Mail vom 29. März 2017 und darf Sie herzlich darum bitten, sich mit Ihrer – verständlichen – Frage zuständigkeitshalber an die 16 Landeskriminalämter zu wenden, denn die Lage ist wie folgt: Die Unterlagen wurden am Rande der Münchener Sicherheitskonferenz dem Präsidenten des BND übergeben, der seinerseits die Unterlagen an das für die Spionageabwehr zuständige Bundesamt für Verfassungsschutz übergeben hat. Von dort war die Liste/das Thema Gegenstand von Abstimmungsgesprächen zwischen den Sicherheitsbehörden des Bundes und den Sicherheitsbehörden der Bundesländer. Es war/ist die Aufgabe der jeweils zuständigen Landesbehörden, die Betroffenen anzusprechen. Wir unterscheiden zwischen der Gefährderansprache (Ansprache von Personen, von denen eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht bzw. ausgehen könnte) und der Gefährdetenansprache (Ansprache von Personen, denen eine Gefahr droht). Ob „alle“ seitens des MIT gelisteten Personen als Gefährdete zwischenzeitlich angesprochen wurden, das weiß ich nicht und kann ich auch nicht wissen. Die Kenntnisse hierüber können nur die zuständigen Bundesländer haben. In der Hoffnung, Ihnen mit dieser Auskunft gedient zu haben, verbleibe ich mit freundlichen Grüßen Wolfgang Bosbach, MdB
|