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Nds-Landesdatenschutzamt-und-Kamera-Attrappen

Worum geht es?


Im niedersächsischen Landesamt für Datenschutz (LfD Niedersachsen) geht man mit Überwachungskamera-Dummies bzw. Kamera-Attrappen unterschiedlich um. Mal werden diese verboten, mal toleriert man diese mit dem Verweis darauf, dass doch gar keine Daten erhoben werden würden, und somit kein Datenschutzgesetz greifen könne. Und für die etwaige Verletzung von Persönlichkeitsrechten fühle man sich als Datenschutzbehörde nun mal nicht verantwortlich ...

Wir haben die Behörde mit der Bitte um Klarstellung angeschrieben.

24.2.2015 - Presseanfrage an das LfD Niedersachsen


Presseanfrage
an die Pressestelle des LfD Niedersachsen

Sehr geehrte Damen und Herren,

der Einsatz von Kameraattrappen, also von Überwachungskameras, die in voller Absicht keine Bilder erzeugen und aufzeichnen oder übertragen, ist nach herrschender Rechtsmeinung unzulässig, zumindest aber mit den gleichen Ansprüchen zu versehen, wie "echte" Videoüberwachungsanlagen.

So heißt es in der Schrift "Videoüberwachung und Webkameras" des ULD auf Seite 10:

 "Attrappen sind so zu behandeln wie echte Kameras. Das bedeutet, dass in jedem Fall die gleichen
 Konsequenzen zu ziehen sind (Prüfung der Erforderlichkeit, Zulässigkeit, Hinweispflichten, ....)"

Quelle: https://www.datenschutzzentrum.de/uploads/blauereihe/blauereihe-videoueberwachung.pdf

Und in der von Ihnen herausgegebenen "Orientierungshilfe zur Videoüberwachung durch öffentliche Stellen" heißt es im Kapitel 10.6:

 "Bei dem Einsatz von dauerhaft defekten bzw. nicht genutzten Kameras und Attrappen (sog. „Dummies“)
 findet keine Bildübertragung statt. Somit werden keine Daten verarbeitet und das NDSG ist daher
 nicht einschlägig. Diese Kameravarianten greifen zwar nicht in das Recht auf informationelle
 Selbstbestimmung, wohl aber in das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit der Betroffenen
 ein (Art. 2 Abs. 1 GG), da sie zu einer Verhaltensbeeinflussung führen. Bei den Bürgerinnen und
 Bürgern wird der Anschein einer Datenverarbeitung erweckt, so dass die Auswirkungen für die
 Betroffenen die gleichen wie bei einer „echten“ Datenverarbeitung sind. Dies wird evtl. noch durch
 entsprechende Hinweisschilder bestärkt. Eine Rechtsgrundlage für diesen Eingriff ist nicht vorhanden;
 somit ist der Einsatz dieser Varianten immer rechtwidrig."

Quelle: http://www.lfd.niedersachsen.de/download/40843/Orientierungshilfe_zur_Videoueberwachung_durch_oeffentliche_Stellen.pdf

Dennoch werden in Ihrer Behörde in den letzten wenigen Jahren immer wieder Entscheidungen getroffen, die derartige Kamera-Attrappen oder nicht in Betrieb befindliche Überwachungskameras (darunter sogar grundrechtlich noch schwerer wiegende Domkameras!) schützen und die Forderungen nach Abbau oder Kennzeichnung solcher Anlagen zurückweisen.

Wir möchten Sie hiermit unter Bezug auf das Pressegesetz um eine Stellungnahme bitten,

  • ob Sie Ihre behördliche Bewertung von Kameraattrappen im öffentlichen Raum einer Überprüfung unterziehen werden und falls nicht, wie Sie den aufgezeigten Widerspruch auflösen können,
  • inwiefern Sie so genannte Webcams nicht gleichermaßen wie Kameraattrappen bewerten, vorausgesetzt, dass diese Webcams (oder andere Kameras mit niedriger Auflösung) vom Äußeren her "echten" Videoüberwachungsanlagen gleichen oder ähneln.

Vielen Dank für Ihre Mühen und viele gute Grüße,

Die Menschen von freiheitsfoo

https://freiheitsfoo.de/

2.3.2015 - Antwort vom LfD Niedersachsen


Sehr geehrter xxx,

vielen Danke für Ihre Anfrage, die ich wie folgt beantworte:

§§ 1 und 2 NDSG i.V.m. § 3 Abs. 1 und 2 NDSG beschreiben den Anwendungsbereich des Gesetzes für öffentliche Stellen des Landes und § 1 BDSG den für nicht-öffentliche Stellen. Es geht also immer um die Erhebung und gegebenenfalls weitere Verarbeitung von personenbezogenen bzw. personenbeziehbaren Daten. Die Rechtmäßigkeit dieses "Tuns" hat die LfD als Aufsichtsbehörde nach § 38 Abs. 1 BDSG für den nicht-öffentlichen Bereich bzw. nach § 22 Abs. 1 NDSG als Kontrollbehörde für den öffentlichen Bereich zu überwachen.

Werden keine solchen Daten erhoben bzw. weiterverarbeitet (wie es bei Dummies und defekten Kameras der Fall ist), hat die LfD keinerlei Zuständigkeit, da der Anwendungsbereich der beiden o.a. Gesetze nicht eröffnet ist. Demzufolge ist es korrekt, wenn das LfD-Referat 6 die Petenten auf den Zivilrechtsweg verweist (siehe unten) und das LfD-Referat 1 die Rechtswidrigkeit feststellt, aber sonst gegenüber der verantwortlichen Stelle keine datenschutzrechtlichen Maßnahmen ergreifen kann.

Gleiches gilt für sogenannte Webcams, auch wenn sie "echten" Kameras ähnlich sein sollten. Webcams sind im Regelfall keine Attrappen. Hier richtet sich die datenschutzrechtliche Bewertung danach, ob Webcams personenbeziehbare Aufnahmen oder nur sogenannte Übersichtsbilder machen. Im ersten Fall richtet sich die Zulässigkeit nach den einschlägigen datenschutzrechtlichen Vorschriften (§ 6b BDSG oder § 25a NDSG), so dass Zuständigkeit der LfD gegeben ist und in der Praxis selbstverständlich auch wahrgenommen wird. Bei reinen Übersichtsaufnahmen findet wiederum eine Erhebung und -verarbeitung personenbezogener Daten nicht statt. Ein solcher Sachverhalt ist im Ergebnis wie eine Attrappe zu beurteilen.

Es gibt also keinen Grund, unsere Auffassung (und Prüfpraxis) "einer Überprüfung [zu] unterziehen". Auch unterscheiden sich die Auffassungen der Referate 1 und 6 nicht voneinander.

Die Auffassung des ULD hingegen vermag ich weder rechtlich (siehe obige Argumentation) noch tatsächlich zu teilen. Prüfung der Erforderlichkeit - bei einem Dummy, der nichts erhebt/verarbeitet? Sehr fragwürdig. Und was ist mit den Hinweispflichten? Der Text "Sehr geehrte Damen und Herren, haben Sie keine Angst. Sie werden nicht überwacht. Es handelt sich nur um einen Dummy" und dazu vielleicht noch ein Piktogramm mit einer durchgestrichenen Kamera wären ebenfalls sehr fragwürdig.

Ihre Handlungserwartungen an die LfD Niedersachsen können daher bei Dummies mangels Ermächtigungsgrundlage nicht erfüllt werden, selbst wenn diese aus anderen als Datenschutzgründen rechtswidrig sein mögen. Sind Dummies installiert, so besteht für den sich von ihnen wegen möglicher Persönlichkeitsrechtsverletzung betroffen fühlenden Bürger nur die Möglichkeit, einen zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch nach §§ 823, 1004 BGB gegenüber dem Verwender geltend zu machen.

Für Rückfragen stehe ich gern zur Verfügung.

Mit freundlichem Gruß

xxx

Leiter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

29.3.2015 - Wir antworten der Landesdatenschutzbehörde


Sehr geehrte Frau Thiel,
sehr geehrter Herr xxx,
sehr geehrte Damen und Herren,

vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort. Wir erlauben uns, Ihnen dazu noch einmal zu schreiben und unsere Position etwas genauer zu erläutern.

Vorweg: Daß es zwischen verschiedenen Referaten Ihrer Behörde unterschiedliche Auffassungen geben soll, haben wir nicht behauptet. Uns ist lediglich der Widerspruch zwischen verschiedenen Handlungen und Standpunkt-Darlegungen aufgefallen. Inwiefern verschiedene Abteilungen dafür verantwortlich sind, können wir nicht beurteilen.

Wir können selbstverständlich die Grenzen des Handelns anhand der Rahmenbedingungen von BDSG und NDSG nachvollziehen und anerkennen diese: Wo keine Datenverarbeitung stattfindet, können diese Gesetze nicht greifen.

Wir möchten im Folgenden hauptsächlich auf Widersprüche hinweisen und unsere Sicht der Dinge zu erklären versuchen, warum wir Ihre Behörde trotz der begrenzten Anwendbarkeit der Datenschutzgesetze in der Verantwortung für die Wahrung der Rechte der Menschen in Niedersachsen sehen. Dann haben wir noch zwei weitere Fragen an Sie.

Zu den Widersprüchen

Widersprüche zu Ihrer erklärten Haltung sehen wir zum einen in der bereits im letzten Anschreiben zitierten Passage, wonach Sie (aus unserer Sicht zurecht) den Einsatz von Kamera-Attrappen ganz eindeutig als rechtswidrig bezeichnen. Diesen Widerspruch sehen wir bislang als unaufgelöst an. Vielleicht können Sie uns erläutern, wie das zusammenzubringen ist.

Weiterhin hat der damalige Landesdatenschutzbeauftragte Joachim Wahlbrink auf einer Landespressekonferenz vom 20.4.2010 davon berichtet, dass die Behörde den Abbau von 25 Kameraattrappen im öffentlichen Raum der Stadt Goslar erfolgreich angeordnet hat. Dass dieses nicht der einzige Fall solcher Interventionen war dokumentiert die Anlage 1 zu diesem Pressetermin:

http://www.lfd.niedersachsen.de/download/32418/Anlage_1_zur_LfD-Presseinformation_Nr._2_10_vom_20.04.2010.pdf

Wieso wird das nun offenbar ganz anders gehandhabt?

Zur Erklärung unserer Haltung, dass Kamera-Attrappen unzulässig sind und entfernt werden müssen

Im Volkszählungsurteil vom 15.12.1983 heißt es bekanntermaßen:

 "Wer unsicher ist, ob abweichende Verhaltensweisen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert,
 verwendet oder weitergegeben werden, wird versuchen, nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallen. Wer damit
 rechnet, daß etwa die Teilnahme an einer Versammlung oder einer Bürgerinitiative behördlich registriert wird und
 daß ihm dadurch Risiken entstehen können, wird möglicherweise auf eine Ausübung seiner entsprechenden Grundrechte
 (Art. 8, 9 GG) verzichten. Dies würde nicht nur die individuellen Entfaltungschancen des Einzelnen beeinträchtigen,
 sondern auch das Gemeinwohl, weil Selbstbestimmung eine elementare Funktionsbedingung eines auf Handlungsfähigkeit
 und Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürger begründeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesens ist."

Sie selber wissen, wie sich die Praxis im Umgang mit von privat und öffentlicher Hand betriebener Videoüberwachung in der Praxis darstellt: Eine große, vermutlich sogar die weit überwiegende Anzahl der installierten Überwachungskameras genügen nicht den Vorschriften von §6b BDSG bzw. §25a NDSG. Das bedeutet, dass derjenige, der sich im öffentlichen Raum einer Kamera gegenübersteht angesichts z.B. häufig fehlender oder unauffälliger Kennzeichnung von VÜ-Anlagen der Frage konfrontiert sieht, ob es sich bei der Kamera um eine "echte" Kamera oder um eine Attrappe handelt. Sogar, wenn die Kamera bewußtseinsmäßig gar nicht erfasst und als solche erkannt wird, kann diese unterbewußt eine Handlungsänderung oder -beschränkung des betroffenen Menschen bewirken.

Angesichts der Unsicherheit und aufgrund der Wirkung gehören Kamera-Attrappen grundsätzlich verboten.

Wenn Sie nun - zurecht - auf die Beschränktheit zur Anwendbarkeit der Datenschutzgesetze bei Attrappen hin- und auf die Grundlagen zur Rechtswegbeschreitung anhand des BGB verweisen, dann bedeutet das faktisch, dass die Landesdatenschutzbehörde vor dem Problem der potentiellen Freiheits- und Grundrechtsbeschränkungen durch Kamera-Attrappen die Augen verschließt.

Sie schlagen dem besorgten Bürger stattdessen vor, sich vor Gericht das Recht auf eine überwachungsarme Beteiligung am öffentlichen Leben und in seinem Alltag einzuklagen. Das aber ist den allermeisten Bürgern praktisch (aus vielfachen der Lebenswirklichkeit entspringenden Gründen) unmöglich und das müssten Sie ebenfalls wissen.

An welche andere exekutive Behörde soll sich ein Bürger oder eine Bürgerin Niedersachsens also in so einem Fall mit der Bitte um Handlung wenden, wenn nicht an Sie? Ist die ablehnende Haltung Ihrer Behörde nicht vielleicht sogar Grund für den einen oder anderen Bürger, selbst - rein rechtlich gesehen, illegalerweise - "Hand anzulegen" und die Mißstände zu beseitigen?

Wir wollen und können so ein Handeln nicht bewerten oder grundsätzlich gut heißen, aber Sie sollten sich über die möglichen Folgen des Nicht-Handelns im Klaren sein.

Zugleich ist uns klar, dass es eventuell nicht in der Entscheidungsgewalt der Angestellten Ihrer Behörde liegt, diese Problematik anzugehen oder gar eigene Handlungsentscheidungen zu treffen. Es dürfte sich um ein politisches Problem handeln, dass wenn nicht an der Führungsspitze der Landesdatenschutzbehörde, so dann an der Landesregierung bzw. dem niedersächsischen Innenministerium zu behandeln ist. Wir möchten Ihnen also ausdrücklich nicht vorwerfen, hier die volle Verantwortung für die Mißstände zu tragen. Das zu betonen ist uns wichtig!

Wenn Sie in der Lage sein sollten - jenseits des üblichen diplomatischen Stils - uns einen Hinweis geben zu können, an wen wir uns mit der Bitte um Änderung des Problems im Umgang Ihrer Behörde mit dem geschilderten Sachverhalt wenden sollen, dann freuen wir uns über jeden Wink.

Frage zur Personenbeziehbarkeit

Können Sie uns mitteilen, wie in der Praxis die Bewertung gehandhabt wird, ob eine Kamera, von der behauptet wird, sie würde "nur" Übersichtsbilder liefern, tatsächlich keine Daten erzeugt, die eine Personenbeziehbarkeit aufweisen können?

Nach unserer Auffassung ist zu dieser Frage nämlich keine standfeste Bewertung durchführbar. Selbst bei niedriger Bildauflösung, die z.B. keine besonders gute Gesichtserkennung ermöglichen würde, kann die Personenbeziehbarkeit im Einzelfall durchaus gegeben sein, wenn z.B. Personen oder Fahrzeuge (oder mit sich getragene Gegenstände) eine derartige Einzigartigkeit aufweisen ("der Typ mit dem ewig gleichen, roten Pullover"). Wenn also nicht generell ausgeschlossen werden kann, dass das Bildmaterial Rückschlüsse auf die Identität von Menschen ermöglicht, so kann diesen Anlagen ebenfalls nicht pauschal zugesprochen werden, dass diese ausschließlich Übersichtsbilder oder -aufnahmen ohne Personenbezug erzeugen. Und damit fallen diese unter die Regelungen von BDSG oder NDSG.

Zur Haltung des ULD

Sie haben geschrieben:

 "Die Auffassung des ULD hingegen vermag ich weder rechtlich (siehe obige Argumentation) noch tatsächlich zu teilen.
 Prüfung der Erforderlichkeit - bei einem Dummy, der nichts erhebt/verarbeitet? Sehr fragwürdig. Und was ist mit
 den Hinweispflichten? Der Text "Sehr geehrte Damen und Herren, haben Sie keine Angst. Sie werden nicht überwacht.
 Es handelt sich nur um einen Dummy" und dazu vielleicht noch ein Piktogramm mit einer durchgestrichenen Kamera
 wären ebenfalls sehr fragwürdig."

Unsere Haltung dazu ist klar, dass Attrappen grundsätzlich unzulässig sind. Wie das ULD seine Haltung im Detail umzusetzen pflegt wäre eine gute Frage, die Sie vielleicht im Miteinander der Behörden oder auf den jährlichen Zusammentreffen besser klären können als wir von außerhalb.

Können Sie uns mitteilen, ob die von uns aufgeworfene Frage schon einmal Thema im Düsseldorfer Kreis gewesen ist und wie sich dieser dazu positioniert?

Danke für Ihre Geduld mit uns - in diesem und in den anderen Fällen des Kontaktes miteinander - und viele gute Grüße,

die Menschen von freiheitsfoo.

Kategorie(n): Videoueberwachung

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Zuletzt geändert am 29.03.2015 13:14 Uhr