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OSZE-und-Versammlungsfreiheit

Empfehlungen für OSZE-Mitgliedsländer aus dem ODIHR-Bericht zur Versammlungsfreiheit, vorgestellt am 16.12.2016 in Wien


[Quelle des folgenden Textes: https://demobeobachtung-suedwest.de/osze-empfehlungen/ ]

Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung, Übersetzung durch Demobeobachtung Südwest

Die folgenden Empfehlungen entsprechen nicht notwendigerweise den Meinungen von Demobeobachtung Südwest, stellen unserer Ansicht nach jedoch brauchbare internationale Mindeststandards dar, auf die wir uns in Zukunft bei der Bewertung der polizeilichen Begleitung von Versammlungen beziehen werden.

Das Originaldokument kann hier bezogen werden: http://www.osce.org/odihr/289721

Über wichtige Definitionen und Rechtssicherheit bezüglich der Versammlungsfreiheit

1. Der Gesetzgebung soll wohlwollend im Hinblick auf friedliche Versammlungen klare und unzweideutige Vorgaben etablieren;

2. Zu garantieren, dass die Freiheit sich friedlich zu versammeln für alle Menschen im Staatsgebiet gilt, nicht nur für die Bürger des jeweiligen Staates. Dies soll gesetzlich verankert sein.

3. Gesetzlich den breitest mögliche Schutz für alle Formen des Ausdrucks, die unter die Freiheit sich friedlich zu versammeln fallen, zu gewährleisten. Dies betrifft auch friedliche Versammlungen, die keinen identifizierbaren Leiter haben;

4. Sicherzustellen, dass klare und vorhersehbare Verfahren verkündigt werden, welche das Anmelden und die Durchführung von Versammlungen ermöglichen und dass klar ersichtlich ist, welche behördliche Stelle zuständig und verantwortlich ist Versammlungsanmeldungen entgegenzunehmen und zu beantworten. Ebenso muss unter anderem ersichtlich sein, welche Kriterien für Auflagen und Einschränkungen gelten;

5. Sicherzustellen, dass einfacher, schneller, wirksamer und praktikabler Zugriff auf alle Gesetze, Verordnungen, Vorgaben und alle anderen Informationen, die für die Inanspruchnahme des Rechts sich friedlich zu Versammeln relevant sind, besteht.

Über Anforderungen zur Anmeldung und Genehmigung von Versammlungen

6. Zu garantieren, dass jedermanns Recht sich friedlich zu Versammeln geschützt ist, unabhängig von Alter, Nationalität, Rechtsfähigkeit oder früherem Verhalten auf Versammlungen, außer letzteres liefert klare Anzeichen, dass die Person beabsichtigt eine gewalttätige oder anderweitig disruptive Versammlung abzuhalten;

7. Sicherzustellen, dass nur Anforderungen zur Genehmigung / Anmeldung auferlegt werden, die nötig sind, um die Versammlung zu ermöglichen, oder um die nationale oder öffentliche Sicherheit, die öffentliche Ordnung, die öffentliche Gesundheit bzw. die öffentliche Sittlichkeit, oder die Rechte und Freiheiten Dritter zu schützen, und nur im geringst nötigen Umfang.

8. Sicherzustellen, dass der Prozess zur Anmeldung einer Versammlung schnell, nicht unnötig bürokratisch, leicht zugänglich und kostenfrei ist, und dass das Versäumen der Anmeldung oder Verletzung des Anmeldeverfahrens nicht automatisch zu einem Verbot oder einer Auflösung der Versammlung führt, wenn diese ansonsten friedlich verläuft;

9. Sicherzustellen, dass die Anmeldefrist so kurz wie möglich ist, aber die Behörden noch hinreichend Zeit haben um sich auf die Versammlung vorzubereiten, und dass die Anforderungen an die Anmeldung nicht ungebührend beschwerlich sind (die geforderten Informationen sollten lediglich das Datum, die Uhrzeit und den Ort der Versammlung beinhalten, und, falls relevant, den Namen, die Adresse und die Kontaktinformationen des Anmelders);

10. Spontane Versammlungen, bei denen eine zeitige Anmeldung nicht möglich oder nicht praktikabel ist, anzuerkennen und gesetzlich zu regeln (falls etwa die Versammlung eine Reaktion auf ein Ereignis ist, welches nicht vernünftigerweise vorhersehbar war); solche Versammlungen sollten von der Anforderung der vorherigen Anmeldung befreit sein;

11. Sicherzustellen, dass die Anforderungen an die vorherige Anmeldung in ihrer praktischen Anwendung Versammlungen nicht de-facto genehmigungspflichtig machen;

12. Sicherzustellen, dass die zuständige Behörde zeitnah eine offizielle Antworte auf die ursprüngliche Anmeldung gibt und dass diese Behörde mit mit allen anderen involvierten Staatsorganen kommuniziert, inklusive der Polizeien.

13. Sicherzustellen, dass das Fehlen einer offiziellen Antwort auf eine Anmeldung sich nicht verhindernd auf Durchführung einer Versammlung auswirkt.

Über das Erteilen von Auflagen im Vorfeld von Versammlungen

14. Sicherzustellen, dass alle für Versammlungen erteilten Auflagen eine Grundlage im Primärrecht haben und streng das Prinzip der Verhältnismäßigkeit befolgen, damit insbesondere sichergestellt ist, dass Auflagen so so spezifisch sind, dass sie wohldefinierte und legitime Ziele, die die Behörden verfolgen, erfüllen, und die notwendiger Bestandteil einer demokratischen Gesellschaft sind;

15. Sicherzustellen, dass alle im Vorfeld erteilten Auflagen schriftlich mit Begründung dem Anmelder mitgeteilt werden. Die Mitteilung muss innerhalb einer gesetzlichen festgelegten Frist erfolgen und dem Anmelder hinreichend Zeit für eine Beschwerde oder eine einstweilige gerichtliche Überprüfung geben, damit die Rechtsmittel vor dem angemeldeten Versammlungstermin wirksam werden können;

16. Die Erteilung von pauschalen Auflagen zu unterlassen, da diese oft unverhältnismäßig sind, und sicherzustellen, dass jede Versammlung für sich bewertet wird; zu diesem Zweck sollten gesetzliche Regelung entfernt und vorübergehende Maßnahmen beendet werden, die etwa aufgrund von Gipfeln oder ähnlichen Großereignissen erlassen worden sind und als pauschale Regelungen fungieren können, indem sie etwa Versammlungen zu bestimmten Zeiten, auf bestimmten Plätzen, oder bestimmte Formen der Versammlung oder Aktionsformen innerhalb von Versammlungen generell untersagen;

17. Rechtliche Beschränkungen zu entfernen oder zu präzisieren, welche vage oder breit anwendbar sind und die daher zu übermäßig restriktiven und/oder willkürlichen Anwendungen der Gesetze führen können;

18. Davon Abstand zu nehmen Versammlungen auf Grundlage des Inhalts einzuschränken, außer diese können überzeugend durch einen der folgenden Gründe gerechtfertigt werden: Absichtliche Anstachelung zu Gewalt, so dass eine unmittelbar bevorstehende Gefahr durch Gewalt resultiert, oder falls von der Versammlung eine Botschaft des nationalistischen, rassistischen oder religiösen Hasses ausgeht, welche einen Aufruf zur Diskriminierung oder Gewalt darstellt;

19. Sicherzustellen, dass Versammlungsteilnehmer in der Lage sind ihre Botschaft innerhalb von Hör- und Sichtweite der intendierten Empfänger zu überbringen und dass diesbezügliche Einschränkungen wegen Sicherheits- oder andere Bedenken nur ausnahmsweise und unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit erteilt werden;

20. Sicherzustellen, dass wo Sicherheits- oder andere Bedenken zu Einschränkungen der Zeit, des Ortes oder der Art und Weise einer Versammlung führen könnten, diese Einschränkungen unter den gegebenen Umständen notwendig sind und, wann immer möglich, im Vorfeld mit den Organisatoren diskutiert worden sind, damit geeignete Alternativen gefunden werden können, die mit dem Prinzip in Hör- und Sichtweite der Adressaten zu demonstrieren vereinbar sind.

Über gleichzeitige Versammlungen

21. Sicherzustellen, dass Verfügungen, welche Versammlungen und andere öffentliche Veranstaltungen, die gleichzeitig und am gleichen Ort oder unmittelbar angrenzend stattfinden, regeln, zur Grundlagen haben, dass wenn immer möglich allen friedlichen Versammlungen Rechnung getragen wird; insbesondere ist sicherzustellen, dass es keine Verfügungen gibt, welche verbieten, dass öffentliche Veranstaltungen zur gleichen Zeit am gleichen Ort stattfinden, wenn dies vernünftigerweise ermöglicht werden kann;

22. In Bezug auf Demonstrationen und entsprechenden Gegendemonstrationen sicherzustellen, dass es keine automatischen Einschränkungen gibt, welche verhindern, dass die Versammlungen in gegenseitiger Hör- und Sichtweite stattfinden; jede Einschränkung einer Versammlung muss genau angepasst sein und sollte ausschließlich auf legitimen Gründen basieren, welche auf objektiv feststellbaren Anhaltspunkten unter internationalen Menschenrechtsnormen fußen;

23. Sicherzustellen, dass falls zwei öffentliche Veranstaltungen nicht am gleichen Ort ermöglicht werden können, die Organisatoren der Veranstaltungen ermutigt werden in Dialog zu treten und so eine für beide Seiten befriedigende Lösung zu finden;

24. Sicherzustellen, dass in der Vor-Versammlungsphase die Organisatoren der Versammlung nicht gezwungen oder genötigt werden oder anderweitig auf sie Druck ausgeübt wird entweder die Alternativvorschläge der Behörden zu akzeptieren oder mit den Behörden über Schlüsselaspekte der geplanten Versammlung, insbesondere die Zeit und den Ort, zu verhandeln.

Über Entscheidungsfindung und Überprüfung

25. Sicherzustellen, dass die Regulation von Versammlungen auf transparente Art und Weise durchgeführt wird, den Organisatoren regulatorische Entscheidungen zusammen mit gerechtfertigten Begründungen rechtzeitig bekanntgegeben werden und die Anmelder Rückgriff auf einen schnellen und effektiven Rechtsbehelf durch behördliche und gerichtliche Überprüfung haben;

26. Sicherzustellen, dass Auflagen den Anmeldern einer Versammlung schriftlich und rechtzeitig mitgeteilt werden und eine detaillierte Erklärung der Gründe für jede einzelne Auflage enthalten ist;

27. Sicherzustellen, dass die Anmelder der Versammlung nicht gezwungen werden, Auflagen zu akzeptieren, sondern in der Lage sind, Auflagen vor Gericht anzufechten. Dies gilt für alle Einschränkungen der Versammlung, ungehindert der Form, in welcher diese Einschränkungen mitgeteilt werden, und muss vor dem Tag der Versammlung erfolgen können.

Über die Rolle der Versammlungsleiter

28. Sicherzustellen, dass die hoheitliche Aufgabe die öffentliche Ordnung während Versammlungen zu erhalten, dies schließt das Beschützen der Versammlungsteilnehmer mit ein, klar gesetzlich definiert ist und von den Polizeien, Ordnungsämtern und anderen hoheitlichen Stellen sowie den Entscheidungsträgern auf allen Ebenen als zentrale Aufgabe des Staates verstanden wird;

29. Sicherzustellen, dass die Versammlungsleiter nicht für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung verantwortlich gemacht werden, also ihnen keine hoheitlichen Aufgaben aufgebürdet werden, und dass Leiter und Teilnehmer einer Versammlung nicht für das ungesetzliche Verhalten Dritter zur Verantwortung gezogen werden;

30. Sicherzustellen, dass die Rolle von Ordnern, gesetzlich und in der Praxis, klar als die Rolle von Unterstützern definiert ist, welche den Organisatoren auf freiwilliger Basis helfen, Veranstaltungen zu leiten, und die keine hoheitlichen Aufgaben übernehmen welche die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung während Versammlungen betreffen;

31. Sicherzustellen, dass die Rolle des Versammlungsleiters darauf beschränkt ist, vernünftige Anstrengungen zu unternehmen die rechtlichen Anforderungen an Versammlungen zu erfüllen, was beinhaltet, vernünftige Anstrengen zu unternehmen um sicherzustellen, dass die Versammlungen friedlich verlaufen und dass rechtmäßigen Anordnungen von Beamten Folge geleistet wird;

32. Sicherzustellen, dass versicherungstechnische Anforderungen, Gebühren für die Reinigung nach Versammlungen, oder Kosten für andere öffentliche Leistungen, etwa polizeiliche und medizinische Betreuung, nicht den Organisatoren der Versammlung auferlegt werden;

33. Sicherzustellen, dass alle Sanktionen, welche gegen Organisatoren von Versammlungen verhängt werden, wenn diese gesetzlichen Anforderungen von Versammlungen nicht nachkommen, verhältnismäßig sind. Wenn kein genuin kriminelles Vergehen strafbar nach anderen Gesetzen vorliegt, sollte eine Verletzung der Anforderungen durch Geldstrafen in verhältnismäßiger Höhe bestraft werden, so dass geringfügige Vergehen auch nur mit geringfügigen Sanktionen belegt werden;

34. Sicherzustellen, dass Gesetze, die mit dem Versammlungsrecht zu tun haben, keine vagen oder breit definierbaren Vergehen enthalten, welche Vollzugsbeamten exzessiven Ermessensspielraum einräumen oder die Verhängung von exzessiven und unverhältnismäßigen Sanktionen gegen Protestierende ermöglichen.

Über die Zugehensweise und Kommunikation von Seiten der Polizei mit den Organisatoren und Teilnehmern von Versammlungen

35. Randbedingungen für eine effektive Kommunikation zwischen den Organisatoren, Teilnehmern und eingesetzten Beamten (etwa Polizei und Ordnungsamt) vor und während der Versammlung zu schaffen, um die Ausübung der Rechte zu schützen und zu ermöglichen und ein gegenseitiges Verständnis herzustellen, unnötige Konfrontationen zu vermeiden, Spannungen abzubauen, Gewalt vorzubeugen und disruptive oder ungesetzliche Zwischenfälle schnell zu beenden, falls diese auftreten;

36. Sicherzustellen, dass die Behörden einen schnell zur Verfügung stehenden Verbindungsbeamten oder andere geeignete Vermittler ernennen, welche die Organisatoren vor, während und nach einer Versammlung kontaktieren können, und dass solche Ernennungen andere eingesetzte Beamte nicht von der Notwendigkeit erlösen, effektiv zu kommunizieren, wie jeweils angemessen;

37. Sicherzustellen, dass die entsprechenden Behörden proaktiv den Dialog mit den Organisatoren der Versammlung suchen, während die Teilnehmer der Versammlung nicht gezwungen werden mit den Behörden zu verhandeln, und dass, im Allgemeinen, ihre Teilnahme an solchen Dialogprozessen optional und freiwillig ist;

38. Eine „keine Überraschungen“-Ansatz zu übernehmen, wenn es um die polizeiliche Begleitung von Versammlungen geht, indem so viele Informationen über die geplante Polizeitaktik wie möglich den Organisatoren offenbart wird und indem Informationen nur zurückgehalten werden, falls es ein klares und berechtigtes Bedürfnis besteht dies zu tun. Dieses Verhalten kann auch auf den Dialog und die Kommunikation im Vorfeld von Versammlungen mit allen anderen involvierten Gruppen, insbesondere auch solchen, die potentiell gewalttätig sind, ausgeweitet werden;

39. Sicherzustellen, dass die eingesetzten Vollzugsbeamten mit den Ordern kooperieren, falls die Organisatoren sich entschließen, Ordner einzusetzen;

40. Standardmäßig, aber insbesondere nach Nicht-Routine-Einsätzen, nach einer Versammlung Einsatznachbesprechungen, auch mit anderen involvierten Behörden, durchzuführen, an welchen die Organisatoren der Versammlung auf freiwilliger Basis teilnehmen dürfen;

41. Vielfalt innerhalb der Behörden zu fördern, insbesondere hinsichtlich der besseren Repräsentation von Frauen und Minderheiten, und insbesondere auf Positionen, welche operative Aufgaben beinhalten, beispielsweise die polizeiliche Begleitung von Versammlungen, und auf Führungspositionen.

Über die Kooperation und Koordination zwischen der Polizei und anderen Behörden

42. Sicherzustellen, dass eine eine effektive Koordination und Kooperation zwischen den verschiedenen Ämtern und Behörden, welche an der Ermöglichung der friedlichen Ausübung der Versammlungsfreiheit beteiligt sind existiert;

43. Sicherzustellen, dass eine effektive Koordination zwischen den verschiedenen eingesetzten Einheiten und einheitliche Anwendung der relevanten Vorschriften für das Verhalten von Polizeikräften im Kontext der Begleitung von Versammlungen besteht;

44. Wege zu finden Erfahrungen und bewährte Praktiken zwischen den verschiedenen Ämtern und Behörden, die mit der Betreuung friedlicher Versammlungen zu tun haben, auszutauschen, sowohl auf nationaler Ebene als auch international, und in Betracht zu ziehen die Expertise und Erfahrung von ODIHR diesbezüglich in Anspruch zu nehmen;

45. Regelmäßig statistische Daten über öffentliche Versammlungen zu erheben und zu veröffentlichen, welche disaggregierte Informationen über die Anzahl und Art von Versammlungen sowie Einschränkungen in Form von verhängten Auflagen oder Verboten enthalten.

Über die polizeilichen Begleitung von Versammlungen, die sich nicht an die rechtlichen Anforderungen halten

46. Sicherzustellen, dass friedliche Versammlungen nicht aufgelöst werden nur weil sie formale rechtliche Anforderungen für Versammlungen nicht erfüllen; solche Versammlungen sollten dennoch von der Polizei und anderen zuständigen Behörden ermöglicht werden;

47. Sicherzustellen, dass polizeiliche Einschränkungen solcher Versammlungen nur aus Gründen erfolgen, die unter den OSZE-Verpflichtungen und internationalen Menschenrechtsnormen legitim und notwendig sind, um die nationale Sicherheit, die öffentliche Sicherheit, die öffentliche Ordnung, die öffentliche Gesundheit oder Moral (wenn Verhalten für kriminell gehalten wird und auch gesetzlich so definiert wurde) oder die Rechte und Freiheiten Dritter zu schützen, und diese Einschränkungen nur in verhältnismäßiger Art und Weise erfolgen.

Über die polizeiliche Begleitung mehrere gleichzeitiger Versammlungen

48. Sicherzustellen, dass Behörden Demonstrationen und Gegendemonstrationen in gegenseitiger Hör- und Sichtweite ermöglichen soweit dies möglich ist und dass eine ausreichende Anzahl an Polizeikräften zu diesem Zweck zur Verfügung stehen;

49. Alle gleichzeitigen Versammlungen zu ermöglichen (inklusive friedlicher Gegendemonstrationen) soweit möglich, und dabei das Recht auf Versammlungsfreiheit und Sicherheit aller Teilnehmer zu schützen, indem eine ausreichende Anzahl ordnungsgemäß ausgebildeter Polizeikräfte eingesetzt wird;

50. Sicherzustellen, dass mögliche Störungen aufgrund von Feindseligkeiten gegenüber Versammlungsteilnehmern einer friedlichen Versammlung nicht als Rechtfertigung für die Auferlegung von Einschränkungen dieser friedlichen Versammlung dienen;

51. Insbesondere, wann immer möglich, sicherzustellen, dass alle Maßnahmen die unternommen werden um Demonstrationsteilnehmer und Gegendemonstrationsteilnehmer bzw. Zuschauer körperlich zu separieren, dies beinhaltet die Schaffung von Pufferzonen, so wenig wie möglich die Möglichkeit der Versammlungsteilnehmer behindern, sich in gegenseitiger Hör- und Sichtweite aufzuhalten, bzw. in Hör- und Sichtweite ihrer Adressaten;

52. Geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Sicherheit aller Versammlungsteilnehmer, Gegenversammlungsteilnehmer und Passanten zu schützen; solche Maßnahmen sollten als Schwerpunkt haben zu ermöglichen, dass sich gegnerische Gruppen nah beieinander versammeln können, wenngleich räumlich getrennt.

Über den Gebrauch von unmittelbarem Zwang, Waffen, Ingewahrsamnahme und Umschließung, sowie Auflösung

53. Sicherzustellen, dass die Vorschriften zum Gebrauch von unmittelbarem Zwang durch Vollzugsbeamte, die Versammlungen polizeilich begleiten, geschaffen werden, die sich im Rahmen der grundlegenden UN-Prinzipien zur Anwendung von Gewalt und Waffen durch Vollzugsbeamte bewegen, und dass diese Vorschriften öffentlich gemacht werden;

54. Sicherzustellen, dass der Einsatz von unmittelbarem Zwang durch Beamte während Versammlungen sich streng an die Prinzipien von Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit hält und vereinbar ist mit den grundlegenden UN-Prinzipien zur Anwendung von Gewalt und Schusswaffengebrauch für Vollzugsbeamte;

55. Sicherzustellen, dass Polizeitaktiken und Polizeitraining Prävention, Deeskalation basierend auf Kommunikation, Verhandlung und Dialog hervorheben;

56. Umfassende Richtlinien zur Auflösung von Versammlungen zu entwickeln und zu veröffentlichen, die in Übereinstimmung mit internationalen Menschenrechtsnormen und -prinzipien stehen und folgende Aspekte detailliert darlegen:

(1) welche Umstände eine Befugnis zur Auflösung nach sich ziehen
(2) alle Schritte die unternommen werden müssen, bevor eine Entscheidung zur Auflösung getroffen werden kann (dies beinhaltet Deeskalationsmaßnahmen)
(3) wer eine Auflösung anordnen darf, und einer freiwilligen Auflösung Vorrang zu geben, bevor irgendeine Form von unmittelbarem Zwang eingesetzt wird;

57. Sicherzustellen, dass Teilnehmer einer Versammlung nur in Gewahrsam genommen werden, wenn nachvollziehbare Gründe für den Freiheitsentzug vorliegen und ohne auf exzessive Gewalt bei der Festnahme zurückzugreifen;

58. Trainings für Vollzugsbeamte zur Begleitung von Versammlungen zu gewährleisten, welche eine starke Betonung auf eine menschenrechtskonforme Planung und Vorbereitung sowie Crowd-Management-Maßnahmen, welche vereinbar sind mit OSZE-Verpflichtungen und Menschenrechtsstandards,legen, und zu erwägen, diesbezüglich die Hilfe der ODIHR in Anspruch zu nehmen;

59. Sicherzustellen, dass Vollzugsbeamte adäquat ausgebildet, personell ausgestattet und ausgerüstet sind (dies umfasst auch nicht-tödliche Technologien), damit sie bestmöglich in die Lage versetzt sind, zurückhaltend und verhältnismäßig Versammlungen zu begleiten.

Über das Foto- und Videographieren von Versammlungen durch Vollzugsbeamte

60. Rechtlich zu regeln, aus welchen Gründen und unter welchen grundlegenden Bedingungen offenes Filmen und Fotografieren öffentlicher Versammlungen erlaubt ist, sowie die zugehörigen Menschenrechtsgarantien;

61. Detaillierte Grundsätze hinsichtlich des offenen Filmens und Fotografierens auf öffentlichen Versammlungen zu entwickeln und zu veröffentlichen, welche eine Beschreibung der Zwecke solcher Aktivitäten sowie der Umstände beinhaltet, unter welchen sie stattfinden könnten, genauso wie eine eine Beschreibung der Verfahren und Richtlinien für die Speicherung und Weiterverarbeitung der resultierenden Daten, und die Speicherung der Daten auf den ursprünglichen Grund der Aufzeichnung zu beschränken und sicherzustellen, dass die Daten gelöscht werden sobald sie für den ursprüngliche Aufnahmegrund nicht mehr länger relevant sind;

62. Sicherzustellen, dass Vollzugsbeamte immer die Öffentlichkeit informieren, wenn sie unter Umständen oder tatsächlich während einer Versammlung fotografieren oder filmen, und über die Sammlung, Verwendung und Speicherung der Daten;

63. Mechanismen bereitzustellen, mit Hilfe derer Personen feststellen können, ob, und falls dem so ist, welche Informationen über die gespeichert worden sind, und diesen Personen Zugriff auf ein wirkungsvolles Verfahren zu geben, Beschwerden einzureichen oder Rekurs betreffend der Sammlung, Speicherung und Verwendung ihrer persönlichen Daten zu suchen.

Über das zur Rechenschaft ziehen von Vollzugsbeamten bei Verstößen im Kontext der polizeilichen Begleitung von Versammlungen

64. Zugängliche und effektive Rechenschaftsmechanismen zu etablieren – falls sie nicht schon existieren – welche in der Lage sind unabhängig, zügig und gründlich Anschuldigungen über Verstöße gegen Menschenrechte oder den Missbrauch polizeilicher Gewalt durch Vollzugsbeamte im Kontext der polizeilichen Begleitung von Versammlungen zu untersuchen;

65. Unverzüglich, unparteiisch und effektiv jegliche Anschuldigungen des Missbrauchs polizeilicher Gewalt oder die Verletzung der Rechte von Versammlungsteilnehmern durch Vollzugsbeamte zu untersuchen, und, bei Abwesenheit expliziter Anzeigen, wann immer es vernünftige Gründe gibt anzunehmen, dass ein solcher Missbrauch oder Rechtsverletzung stattgefunden hat zu ermitteln; Die Ermittlung muss in der Lage sein diejenigen zu identifizieren und zur Rechenschaft zu ziehen, die verantwortlich sind, mit Strafen welche im Hinblick auf die Schwere des Verstoßes angemessen sind;

66. Sicherzustellen, dass diejenigen, welche das Recht von Individuen sich friedlich frei zu versammeln, verletzen und / oder dagegen verstoßen, voll zur Rechenschaft gezogen werden; Zu diesem Zweck sicherzustellen, dass Vollzugsbeamte jederzeit einfach und eindeutig identifizierbar sind, wenn sie eine Versammlung polizeilich begleiten (auch wenn sie Schutz- oder andere Spezialausrüstung tragen);

67. Die Arbeit unabhängiger nationaler Menschenrechtsorganisationen (NHRIs) zu respektieren und zu unterstützen, Anschuldigungen bezüglich Menschenrechtsverletzungen und Missbrauch im Kontext von Versammlungen zu empfangen und zu untersuchen, und die Umsetzung des Rechts auf Versammlungsfreiheit zu überwachen;

68. Die Kontrolle, auch unter Kollegen, der polizeilichen Begleitung von Versammlungen durch Vollzugsbeamte, zu verbessern, und die Möglichkeiten für internationale Kooperationen und den Austausch bewährter Verfahren diesbezüglich zu erforschen.

Über den Zugang und Einschränkungen für Journalisten und Demonstrationsbeobachter

69. Ausdrücklich die unabhängige Beobachtung, Aufzeichnung und Berichterstattung von Versammlungen anzuerkennen und aktiv zu fördern, die von internationalen und lokalen Beobachtern oder nationalen Menschenrechtsinstitutionen ausgeht, einschließlich durch:

  • gewohnheitsmäßig nationale Menschenrechtsinstitutionen oder andere relevanten Körper, die unabhängige Kontrolle und Beobachtung leisten (zum Beispiel Nichtregierungsorganisationen, die auf dem Gebiet der Versammlungsfreiheit arbeiten) über erwartete Versammlungen zu informieren;
  • Journalisten und Beobachter Informationen und Zugriff bereitzustellen, welche es ihnen ermöglichen alle Aspekte einer Versammlung zu beobachten, und beständig mit ihnen zu kommunizieren, vor während und nach der Versammlung;
  • Beobachter nicht unangemessen einzuschränken, sondern sicherzustellen, dass Beobachter effektiv im Kontext der Versammlungen arbeiten können;
  • sich auf die Beobachter einzulassen was ihre Befunde und Empfehlungen betrifft, und auf Grundlage ihrer Bewertungen der polizeilichen Begleitung von Versammlungen durch staatliche Behörden den Lernprozess der Institutionen zu füttern;

70. Sicherzustellen, dass sowohl traditionelle Journalisten wie auch Bürgerjournalisten über öffentliche Versammlungen berichten können, dazu zählen auch die Handlungen der eingesetzten Vollzugsbeamten, ohne dabei von staatlicher Seite behindert zu werden, außer bei seltenen Umständen, wenn Ressourcen wie Zeit und Raum begrenzt sind; insbesondere sicherzustellen, dass Demonstrationsbeobachter und Journalisten den größtmöglichen Zugang zu allen Orten haben, die für ihre Aktivitäten relevant sind;

71. Sicherzustellen, dass Teilnehmer, Beobachter, Journalisten und Zuschauer in der Lage sind, die Aktionen und Aktivitäten auf Versammlungen zu fotografieren oder anderweitig aufzuzeichnen, dies schließt polizeiliche Aktionen und individuelle Polizeibeamte mit ein, und dass diese Aufzeichnungen als Beweismittel in relevanten disziplinarischen, verwaltungsrechtlichen oder Strafrechtlichen Verfahren anerkannt werden.


Zehn wichtige OSZE-Empfehlungen (Auszug bzw. Zusammenfassung aus/von dem vorherigen OSZE-Text)


[Quelle des folgenden Textes: https://demobeobachtung-suedwest.de/blog/2018/02/20/zehn-wichtige-osze-empfehlungen/ ]

Vergangene Woche haben wir die OSZE-Empfehlungen zur Versammlungsfreiheit veröffentlicht. Dabei haben wir großen Wert auf eine originalgetreue Übersetzung des Textes wert gelegt. Deswegen möchten wir hier die außer unserer Sicht wichtigsten Punkte noch einmal zusammenfassen:

1. Die Polizei soll DemonstrationsbeobachterInnen anerkennen und aktiv fördern, vor Ort größtmöglichen Zugang ermöglichen deren Befunde und Empfehlungen zur Kenntnis nehmen. Sie soll das Filmen und Fotografieren von polizeilichen Aktionen und individuellen Polizeibeamten erlauben, damit diese Aufzeichnungen gegebenenfalls als Beweismittel und disziplinarischen, verwaltungsrechtlichen oder strafrechtlichen Verfahren verwendet werden können. [69-71]

2. Die Polizei soll sicherstellen, dass die eingesetzten BeamtInnen einfach und eindeutig zu identifizieren sind, auch wenn sie Schutz- oder Spezialausrüstung tragen. [66]

3. Bei Anzeichen von Fehlverhalten oder konkreten Vorwürfen sollten Polizei und Staatsanwaltschaft unverzüglich, effektiv und unparteiisch ermitteln, auch wenn keine Anzeige vorliegt. [64-68]

4. Die Polizei bzw. deren politische Führung und der Gesetzgeber sollen detaillierte Grundsätze zum Filmen von Versammlungen erarbeiten und veröffentlichen. Das Filmen durch PolizistInnen muss kenntlich gemacht werden. Die Aufnahmen müssen gelöscht werden, wenn der Aufnahmegrund nicht länger relevant ist. [60-63]

5. Die Polizeitaktik muss auf Kommunikation, Deeskalation, Verhandlung und Dialog basieren. Sie darf die VersammlungsteilnehmerInnen nicht überraschen. Es müssen umfassende Richtlinien ausgearbeitet und veröffentlicht werden die beschreiben, unter welchen Umständen eine Versammlung aufgelöst wird. Einer freiwilligen Auflösung muss Vorrang gegeben werden, bevor unmittelbarer Zwang angewendet wird. Friedliche Versammlungen sollen nicht aus formalen Gründen aufgelöst werden.[38,55,56,46]

6. VersammlungsteilnehmerInnen dürfen nur in Gewahrsam genommen werden, wenn nachvollziehbare Gründe für den Freiheitsentzug vorliegen. Bei der Festnahme darf nicht auf exzessive Gewalt zurückgegriffen werden.[57]

7. Die Vorschriften zum Gebrauch von unmittelbarem Zwang und Waffen, z.B. Pfefferspray, müssen veröffentlicht werden. Der Einsatz muss notwendig und verhältnismäßig sein.[53,54]

8. Demonstrationen sollen in Hör- und Sichtweite ihrer Adressaten stattfinden können. Dies gilt auch für Gegendemonstrationen, die falls nötig zwar polizeilich getrennt, aber dennoch in gegenseitiger Hör- und Sichtweite stattfinden sollen.[19-24,48-52]

9. Die Ordnungsämter sollen statistisch erfassen, welche Art von Auflagen sie wie oft verhängt haben.[45]

10. Auflagen müssen frühzeitig dem Anmelder mitgeteilt werden, damit dieser den Rechtsweg bestreiten kann. Jede Auflage muss detailliert begründet werden.[14-20, 25-27]


3.11.2018 - Presseanfrage an die Versammlungsbehörde Hannover


Sehr geehrte Damen und Herren,

mit Blick auf eine im Dezember in Wien stattfindende Sitzung der OSZE möchten wir über deren Empfehlungen zur Praxis des Versammlungsrechts berichten. In diesem Kontext möchten wir eine formelle Frage sowie eine Bitte um ausführliche Stellungnahme an Sie richten. Die Berichterstattung soll Ende November 2018 erfolgen und wir würden uns deshalb darüber freuen, rechtzeitig bis dahin die Fragen beantwortet zu bekommen.

Insbesondere in jüngerer Zeit wird im Zuge öffentlicher Diskussionen immer wieder behauptet, die Versammlungsbehörde Hannover sei von der Polizei(direktion) Hannover nicht zu trennen bzw. ein Teil davon. Uns gegenüber wurde (bspw. bei einem Treffen in Ihrem Hause am 17.2.2016) jedoch stets versichert, dass diese beiden Behörden mindestens formell voneinander unabhängig sind.

1.) Können Sie uns die Abhängigkeiten und Unabhängigkeiten zwischen Polizei(direktion) Hannover und Versammlungsbehörde Hannover im Detail erläutern? Inwiefern sind die Mitarbeiter*innen der Versammlungsbehörde bspw. der Polizeidirektion gegenüber weisungsgebunden? Gibt es über die Zusammenlegung der Pressestellen beider Stellen hinaus weitere organisatorische Verschmelzungen?

In Zusammenhängen mit von uns angekündigten und durchgeführten Demonstrationsbeobachtungen haben wir Sie bereits auf die seitens der OSZE ihren Mitgliedsländern gegenüber ausgesprochene Empfehlungen zur Versammlungsfreiheit vom 16.12.2016 hingewiesen. Diese liegen inzwischen auch in deutscher Übersetzung vor https://demobeobachtung-suedwest.de/osze-empfehlungen/

Darauf basierend wurden seitens der Bürgerrechtsorganisation Demobeobachtung-Südwest zehn Empfehlungen entwickelt:

...

2.) Welche dieser zehn Punkte bzw. Forderungen werden seitens der Versammlungsbehörde unterstützt und anerkannt und welche nicht und falls nicht, aus welchen jeweiligen Gründen?

Bei Rückfragen sind wir selbstverständlich und gerne für Sie da!

Vielen Dank für Ihre Arbeit und viele gute Grüße,


Uns scheinen vier Prinzipien zentral zu sein, die auch die Polizeiexperten beim runden Tisch in Wien betont haben:

1. Jeder Polizist muss persönlich für sein Handeln haftbar sein (Accountability)
2. Polizeiliche Maßnahmen müssen vorhersehbar sein (No-Surprise)
3. Maßnahmen müssen sich möglichst zielgerichtet gegen Störer richten. Sie müssen notwendig und verhältnismäßig sein. Kessel, Masseningewahrsamnahmen und der Einsatz von Pfefferspray dürfen niemals leichtfertig erfolgen. (Proportionality)
4. Versammlungen sollen in Hör- und Sichtweite ihrer Adressaten ermöglicht werden (Sight- and Sound)


26.11.2018 - Antwort von der Polizei Hannover


Sehr geehrter Herr xxx,

auf Ihre Anfrage vom 03.11.2018, 20.08 Uhr, teile ich Ihnen Folgendes mit:

1.) Organisation Versammlungsbehörde

Die Aufgaben der unteren Versammlungsbehörde sind auf dem Gebiet der Landeshauptstadt Hannover der Polizeidirektion Hannover zugewiesen, § 24 Abs. 1 Satz 2 des Niedersächsischen Versammlungsgesetzes (NVersG). Innerhalb der Polizeidirektion Hannover werden die Aufgaben der unteren Versammlungsbehörde vom Dezernat 22 wahrgenommen. Dieses ist Teil der Abteilung 2, die von der Abteilung 1 (Polizeilicher Aufgabenvellzug, Personal, Technik), den Polizeiinspektionen und -kommissariaten etc. organisatorisch getrennt ist (vgl. Runderlass des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport v. 17.10.2017 — 21.11-01512 — Nds. MBI. 43/2017, S. 1414 [1424]). Die im Dezernat 22 für das Versammlungsrecht zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterstehen der Leiterin des Dezernats 22, dem Leiter der Abteilung 2 (beide keihe Polizeivollzugs—, sondern Verwaltungsbeamte und Volljuristen) und als oberstem Dienstvorgesetzen dem Polizeipräsidenten der Polizeidirektion Hannover.

Insgesamt hatte und hat die Polizeidirektion nur eine Pressestelle, die die Antworten auf sämtliche Presseanfragen koordiniert (auch Versammlungen betreffend).

2.) OSZE-Empfehlungen

Die Versammlungsbehörde äußert generell keine „Unterstützungen“ oder „Anerkenntnisse“ zu Empfehlungen, seien sie nun von der OSZE oder zivilgesellschaftlichen Gruppen formuliert. Maßgeblich für die Versammlungsbehörde als Teil der Exekutive sind allein die bestehenden gesetzlichen Bestimmungen, nebst ggf. hierzu ergangenen Erlassen des fachlich vorgesetzten Ministeriums für Inneres und Sport und die einschlägige Rechtsprechung. Mithin wäre es Aufgabe des Gesetzgebers, die „Empfehlungen“ in bindendes Recht zu überführen. Dies gilt auch für „Empfehlungen“, die die Art und Weise der Aufgabenerfüllung des Vollzuges betreffen (z.B. Identifikationspflicht).

Manche der dort genannten Empfehlungen haben aus hiesiger Sicht darüber hinaus längst Eingang in die Gesetzeslage in Niedersachsen gefunden bzw. sind durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts schon seit längerer Zeit ohnehin vorgegeben, etwa

  • die Empfehlung, dass das Filmen durch Polizeikräfte kenntlich gemacht werden muss und dass Aufnahmen gelöscht werden müssen, wenn der Aufnahmegrund nicht länger relevant ist (vgl. § 12 Abs. 1 S. 1 NVersG — dort ist ausdrücklich von „offen“ die Rede - bzw. Abs. 3)
  • die Empfehlung, dass friedliche Versammlungen nicht aus formalen Gründen (gemeint sein dürfte hier vermutlich die bloße Nichtanzeige oder weil eine Versammlung ggf. keine Leiterin o. keinen Leiter aufweist) aufgelöst werden dürfen (vgl. § 8 Abs. 2 NVersG, ferner „Brokdorf—Entscheidung" des Bundesverfassungsgerichts [= BVerfGE 69, 315, Ls. 2 b])
  • die Empfehlung, dass Versammlungsteilnehmerlnnen nur in Gewahrsam genommen werden, wenn nachvollziehbare Gründe für den Freiheitsentzug vorliegen und dass bei der Festnahme nicht auf exzessive Gewalt zurückgegriffen werden darf (vgl. § 10 Abs. 2 und 3 NVersG, § 18 Nds. SOG, § 4 Nds. SOG, ferner Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts v. 26.10.04 — 1 BvR 1726/01, 5. Ls.)
  • die Empfehlung, dass Auflagen detailliert begründet und frühzeitig dem Anmelder mitgeteilt werden, damit dieser den Rechtsweg bestreiten kann (§ 1 Abs. 1 NVwVfG i. V. m. § 39 VwVfG, ferner „Brokdorf-Entscheidung" des Bundesverfassungsgerichts [= BVerfGE 69, 315, 364], oder auch Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts v. 03.03.04— 1 BvR 461/03).

Letztendlich sind aber immer die individuellen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Dies gilt für alle „Empfehlungen“, die nicht pauschal, sondern immer nur im Kontext der konkreten Versammlungslage beurteilt werden können.

Mit freundlichen Grüßen


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Zuletzt geändert am 11.12.2018 23:00 Uhr