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Polizistenkennzeichnungspflicht

Worum geht es?


Jahrelang streiten Polizeivertreter und Befürworter des Demonstrationsrecht um die Frage, ob und in welcher Form Polizisten im Einsatz gekennzeichnet werden sollen.

Der Streit ist geprägt einer besonderen Hartnäckigkeit der Polizei, sich einer solchen - selbst pseudonymisiert ausgeführten - Kennzeichnung zu widersetzen. Sachargumenten gegenüber stellt man sich in aller Regel nach stur.

Verfassungsrechtler sehen das zumeist anders:

Wir teilen in diesem Zusammenhang die Ansicht des ehemaligen Richters am Bundesverfassungsgericht, Herr Wolfgang Müller-Riem, der es am 21.5.2014 in der parlamentarischen Anhörung zum geplanten neuen Versammlungsgesetz in Schleswig-Holstein so kurz wie treffend formuliert hat:

“Wo der Staat auftritt, muss er identifizierbar sein.”

9.1.2015 - Beteiligung an der internationalen Kampagne für eine EU-weite Kennzeichnungspflicht für Polizistinnen und Polizisten


22.2.2015 - Schreiben an den Vorsitzenden der niedersächsischen Gewerkschaft der Polizei


Via E-Mail an die Pressestelle der GdP Niedersachsen

Sehr geehrter Herr Schilff,

anläßlich der Debatte um eine anonymisierte (korrekter ausgedrückt wäre: pseudonymisierte) Kennzeichnung von Polizeibeamten und -beamtinnen in Niedersachsen werden Sie in einem taz-Artikel vom 16.2.2015

 http://taz.de/Kennzeichungspflicht-in-Niedersachsen/!154844/

wie folgt zitiert:

 "Viele Vertreter von Polizeigewerkschaften und Personalvertretungen wollen von der Kennzeichnungspflicht
 trotzdem nichts wissen. Polizeigewalt sei ein Randphänomen, die Identifizierbarkeit von Polizisten
 deshalb schlicht „überflüssig“, argumentiert der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in
 Niedersachsen, Dietmar Schilff."

Und etwas später dann:

 "GdP-Chef Schilff aber reicht auch das nicht: Er fürchtet um den Datenschutz. In Zeiten, in denen selbst
 das Handy der Kanzlerin gehackt werde, seien auch solche Ziffernkombinationen durch Hackerangriffe
 recherchierbar und damit unsicher, heißt es aus seiner Gewerkschaft."

Dazu möchten wir von der Gruppe freiheitsfoo kurz Stellung beziehen und Ihnen eine Frage stellen.

Zum ersten Absatz:

Aus unserer Sicht zieht die Begründung, dass Polizeigewalt ein "Randphänomen" sei nicht, denn zum einen würde das ja nicht begründen, warum nicht auch Straftaten in Form von rechtswidriger Polizeigewalt verfolgt werden sollte (und vielleicht besonders diese Straftaten, die von Menschen begangen werden, denen staatlicherseits das Recht auf staatliche exekutive Gewaltanwendung anvertraut worden ist!). Zum anderen könnte man mit der gleichen Begründung beispielsweise auch den Straf- und Bußgeldkatalog der Versammlungsgesetze anfechten bzw. tilgen, denn auch bei Demonstrationen sind Gewalttäter glücklicherweise nur ein Randphänomen.

Wir teilen in diesem Zusammenhang die Ansicht des ehemaligen Richters am Bundesverfassungsgericht, Herr Wolfgang Müller-Riem, der es am 21.5.2014 in der parlamentarischen Anhörung zum geplanten neuen Versammlungsgesetz in Schleswig-Holstein so kurz wie treffend formuliert hat:

 “Wo der Staat auftritt, muss er identifizierbar sein.”

Dann noch zum zweiten Zitat des taz-Berichts:

Sind Sie tatsächlich der Meinung, dass die polizeilichen IT-Systeme nicht ausreichend genug gegen Hackerangriffe geschützt sind? Falls dem so ist: Können Sie hierzu näheres ausführen und sehen Sie in diesem Fall dann nicht noch ganz andere, mindestens genau so sensible Datensammlungen und IT-Bereiche polizeilichen Handelns in akuter Gefahr?

Wir würden uns sehr über eine gehaltvolle Antwort freuen und versprechen deren ungekürzte Veröffentlichung, wie wir auch diesen Brief als offenen Brief handhaben und frei verfügbar im Internet veröffentlichen werden.

Viele gute Grüße von den Menschen von freiheitsfoo,

...


13.2.2018 - NDR: Offenbar Probleme bei Polizei-Kennzeichnung


''Quelle: https://www.ndr.de/nachrichten/mecklenburg-vorpommern/Offenbar-Probleme-bei-Polizei-Kennzeichnung,polizei4898.html

von Reiko Pinkert und Hannes Stepputat

Die seit Jahresbeginn geltende Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte in Mecklenburg-Vorpommern wird bisher offenbar nicht konsequent umgesetzt. Nach Informationen des NDR sollen Beamte der Landesbereitschaftspolizei bei mindestens drei verschiedenen Einsätzen die individuelle Identifikationsnummer nicht wie vorgeschrieben getragen haben. Die Vorwürfe betreffen Einsätze von geschlossenen Polizeieinheiten bei einer Demonstration gegen den Krieg in der nordsyrischen Region Afrin in Rostock und zwei Fußballspiele des FC Hansa Rostock.

Fehlende Identifizierungsnummern bei Hansa-Spiel

Bei dem Einsatz anlässlich des Fußballspiels zwischen Hansa Rostock und den Würzburger Kickers am 10. Februar in Rostock trugen einige Polizisten keine Identifizierungsnummern. Das belegen Fotos, die dem NDR vorliegen. Auf die fehlende Kennzeichnung angesprochen sollen einzelne Beamte Augenzeugen zufolge ungehalten reagiert und etwa gesagt haben, dass sie grundsätzlich keine Kennzeichnung tragen würden, oder, dass dies die Beobachter nichts angehe.

Fünfstellige Nummer für geschlossenen Einheiten vorgeschrieben

Seit dem 1. Januar diesen Jahres gilt im Nordosten eine Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums, nach der Angehörige der geschlossenen Einsatzeinheiten eine individuelle, fünfstellige Nummer an der Uniform tragen müssen. Damit soll eine nachträgliche Identifizierung der Beamten ermöglicht werden, zum Beispiel, wenn Vorwürfe gegen sie erhoben werden. Um die Kennzeichnungspflicht war jahrelang politisch gerungen worden, bevor ihre Einführung im aktuellen Koalitionsvertrag vereinbart wurde.

Keine oder verdeckte Kennzeichnungen bei Demo in Rostock

Auch bei einer pro-kurdischen Demonstration am 27. Januar in Rostock soll laut Zeugen nur ein kleiner Teil der eingesetzten Beamten die Nummern im Brustbereich getragen haben. Allerdings seien sie mit Ausrüstungsgegenständen wie Funkgeräten, Sonnenbrillen oder Schlagstöcken verdeckt gewesen. Bei der Mehrzahl der Einsatzkräfte sei die Klettfläche an der Brusttasche, an der die Schilder befestigt werden sollen, leer geblieben, berichteten Beobachter gegenüber dem NDR. Wegen der Vorfälle ist mittlerweile auch eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Polizei gestellt worden, die dem NDR ebenfalls vorliegt.

Innenministerium will keinen Pflichtverstoß erkennen

Peter Ritter, innenpolitischer Sprecher der Linksfraktion, sagte: "Sollten sich die beschriebenen Sachverhalte bewahrheiten, sind diese natürlich nicht zu tolerieren und müssen vom Dienstherrn geahndet werden." Anfang Februar hatte das Innenministerium erklärt, dass die Kennzeichnung vollständig umgesetzt werde. Eine Sprecherin teilte auf eine erneute Anfrage mit, dass das Ministerium in den aktuellen Fällen von keinem Pflichtverstoß ausgehe, da die Kennzeichnungspflicht ausschließlich für Polizeibeamte aus geschlossenen Einheiten gelte. Um solche geht es jedoch bei den Vorwürfen. Diese richten sich nicht gegen normale Streifenpolizisten sondern gegen Beamte der Bereitschaftspolizei.

GdP verweist auf alte Pressemitteilung

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) verwies auf Nachfrage zu den Vorfällen lediglich auf eine Pressemitteilung aus dem Dezember. Mit scharfen Worten hatte der GdP-Landesvorsitzende Christian Schumacher die Einführung der Kennzeichnungspflicht kritisiert. "Mir ist kein Fall in Mecklenburg-Vorpommern bekannt, in dem bei einem Verdacht auf eine rechtswidrige Handlung der beschuldigte Polizeibeamte nicht identifiziert werden konnte", erklärte Schumacher und beklagte, dass "die Polizei unnötig unter Generalverdacht gestellt" werde. Ähnlich hatte sich auch Innenminister Lorenz Caffier (CDU) geäußert.

Tretender Polizist konnte nicht identifiziert werden

Allerdings ist mindestens ein Fall bekannt, in dem Ermittlungen gegen einen Polizisten eingestellt wurden, weil dieser nicht identifiziert werden konnte. So war der Behindertenbeauftragte vom FC Hansa Rostock, Uwe Schröder, 2014 im Rostocker Ostseestadion verletzt worden, als er von einem Beamten mit einem gezielten Rempler zu Boden gestoßen wurde. Anschließend hatte ein zweiter Polizist mit dem Fuß nach dem am Boden Liegenden getreten und ihn verletzt. Videoaufnahmen von dem Vorfall hatte der NDR 2016 veröffentlicht, woraufhin die Staatsanwaltschaft Rostock Ermittlungen wegen des Verdachts auf Körperverletzung im Amt einleitete. Im Dezember 2017 teilte die Staatsanwaltschaft schließlich mit, dass die Ermittlungen gegen den tretenden Polizisten eingestellt wurden, weil er nicht identifiziert werden konnte.


Kategorie(n): Aktion Versammlungsfreiheit

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Zuletzt geändert am 24.02.2018 21:13 Uhr