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Taser-Todesfaelle-Deutschland

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Eine Sammlung von Todesfällen im Zusammenhang von Polizeieinsätzen, bei denen Taser-Elektroschock-Waffen eingesetzt worden sind.

Ausdrücklich ohne Anspruch auf Vollständigkeit! Ergänzungen und Hinweise dazu jederzeit willkommen.


Januar 2018 - xxx/Hessen


Quelle hierfür: https://perspektive-online.net/2019/07/immer-mehr-todesfaelle-nach-polizeieinsaetzen-mit-tasern/


22.10.2018 - Nürnberg/Bayern


Auszüge (Hervorhebungen durch uns):

(...) Seit 2006 führen die Spezialeinsatzkräfte (SEK) in Bayern sogenannte Taser. Das sind spezielle Elektroimpuls-Waffen, mit denen Personen fünf Sekunden lang außer Gefecht gesetzt werden können. Innerhalb der vergangenen zwölf Jahre sind Taser laut Innenministerium rund 40 Mal zum Einsatz gekommen. Bis heute sei es zu keinen "schwerwiegenden Verletzungen" oder gar Todesfällen gekommen, so ein Sprecher. "Es wird vor jedem Einsatz ausgiebig geprüft, ob es auch mildere Maßnahmen gibt, um eine Bedrohungslage zu entschärfen."

Am 22. Oktober allerdings ist in Nürnberg-Gostenhof ein randalierender Mieter nach einem Polizeieinsatz gestorben. Kräfte des SEK verwendeten dabei auch einen Taser, um den unter Drogeneinfluss stehenden Mann zu überwältigen. Nachdem die Wirkung der Elektrostöße nachgelassen hatte, leistete der Mann abermals erheblichchen Widerstand. Erst ein Notarzt, der bei SEK-Einsätzen immer dabei ist, konnte den 43-Jährigen durch Medikation sedieren. Wenig später kollabierte der Mann, musste intensivmedizinisch behandelt und in eine Klinik gebracht werden. Kurz darauf starb er im Krankenhaus.

Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth hat daraufhin unter anderem den eingesetzten Taser sichergestellt. Der Verstorbene wurde obduziert, ein chemisch-toxikologisches Gutachten in Auftrag gegeben. Ein Ergebnis der Untersuchungen liegt noch nicht vor. "Das kann mindestens noch zwei Wochen dauern", sagt Antje Gabriels-Gorsolke, Sprecherin der Staatsanwaltschaft. (...)

Quelle: https://www.nordbayern.de/region/nuernberg/nach-todesfall-grune-kritisieren-taser-einsatze-der-polizei-1.8272900


18.1.2019 - Pirmasens/Rheinland-Pfalz


Rahmenbedingungen und Infos zum Einsatz von Tasern in RLP


Auszüge aus der Landtagsdrucksache vom 28.1.2019:

(...)

Seit der Freigabe am 1. März 2007 hat das Spezialein-satzkommando dieses Einsatzmittel in 39 Fällen eingesetzt.

(...)

Polizeiinterne Regelungen zum Einsatz von DEIG sehen beispielsweise vor, dass diese in Räumen mit erkennbarer Explosionsgefahr oder bei erkennbaren Risiko-gruppen grundsätzlich nicht eingesetzt werden sollen. Zu den Risikogruppen zäh-len unter anderem Kinder, Schwangere oder Personen mit medizinisch relevanten Vorerkrankungen.

(...)

Der Einzelpreis für ein DEIG beträgt rd. 1.900 Euro, kann aber in Abhängigkeit der konkreten Abnahmemenge erheblich variieren.

Quelle: https://www.landtag-bw.de/files/live/sites/LTBW/files/dokumente/WP16/Drucksachen/5000/16_5595_D.pdf


Schilderung des Vorfalls aus einem ZEIT-Beitrag vom 14.5.2019


(...)

Auch weil im Januar in Pirmasens in Rheinland-Pfalz etwas Ähnliches geschah: Auch hier ging es um die Einlieferung in eine Psychiatrie, auch hier setzte die Polizei einen Taser in der Wohnung eines Mannes ein, der sich gewehrt haben soll, auch hier starb der Betroffene, ein 56-Jähriger. Laut Staatsanwaltschaft Zweibrücken war ein Herzinfarkt Todesursache. Ob der Taser dazu beigetragen hat, solle ein rechtsmedizinisches Gutachten klären, das aber noch nicht vorliege, teilte die leitende Oberstaatsanwältin Iris Weingardt auf Anfrage mit.

(...)

Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2019-05/polizeieinsaetze-taser-frankfurt-elektroschocker-gefahren-amnesty-international


29.11.2019 - "Die Rheinlandpfalz": "Pirmasens: Taser-Einsatz der Polizei war nicht der Grund für Tod eines 56-Jährigen"


(Hervorhebungen durch uns.)

Die Staatsanwaltschaft Zweibrücken hat die Ermittlungen nach einem Todesfall eingestellt, bei dem nicht sicher war, ob er durch eine Elektroschockwaffe der Polizei verursacht wurde. Bei einem Einsatz im Januar setzte die Polizei einen sogenannten Taser gegen einen 56-Jährigen ein. Dieser wehrte sich zuvor massiv gegen die Beamten. Er sollte auf richterliche Anweisung in eine psychiatrische Einrichtung gebracht werden. Nachdem er von der Polizei überwältigt worden war, starb er im Krankenwagen auf dem Weg ins Krankenhaus. Ein rechtsmedizinisches Gutachten hat nun laut Staatsanwaltschaft ergeben, dass der Mann an einem Herzinfarkt gestorben ist. Dieser wurde laut den Experten jedoch nicht durch den Taser ausgelöst. Vielmehr hatte der 56-Jährige diverse Vorerkrankungen. Hinzu kommt: Die Pirmasenser Polizei hat zwar den Taser eingesetzt, aber den Mann nicht nachweisbar getroffen.

Quelle: https://www.rheinpfalz.de/lokal/pirmasens_artikel,-pirmasens-taser-einsatz-der-polizei-war-nicht-der-grund-f%C3%BCr-tod-eines-56-j%C3%A4hrigen-_arid,1551836.html


30.4.2019 - Frankfurt(Main)/Hessen


ZEIT-Bericht dazu (vom 14.5.2019)


(...)

Freitag, 30. April, Frankfurt-Ostend. Ein 49-Jähriger soll in eine psychiatrische Klinik gebracht werden. Der Diabetespatient hatte sich geweigert, seine Medikamente zu nehmen, seine Frau befürchtet eine lebensgefährliche Überzuckerung. Der Notarzt ruft schließlich die Polizei. So schildert Nadja Niesen, Sprecherin der Staatsanwaltschaft Frankfurt, ZEIT ONLINE die Situation. Der übergewichtige Mann habe sich "sehr aggressiv" verhalten, in der engen Küche seien Messer in Reichweite gewesen. Ein Beamter habe den Taser-Einsatz angeordnet und sein Kollege abgedrückt. Der Mann kollabiert, muss sich übergeben und stirbt am 4. Mai im Krankenhaus, wo er zusätzlich erkrankt war. Die genaue Todesursache ist noch nicht geklärt und damit auch nicht der Einfluss der Elektroimpulse aus dem Taser. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt ermittelt gegen beide Polizisten wegen des Verdachts auf Körperverletzung im Amt mit Todesfolge.

(...)

Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2019-05/polizeieinsaetze-taser-frankfurt-elektroschocker-gefahren-amnesty-international


1.10.2021 - Garbsen/Niedersachsen


Ein paar Grundlagen zum Einsatz des Tasers bei der Polizei Niedersachsen


Auszüge:

Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/20021

Kleine Anfrage zur kurzfristigen schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 2 GO LT mit Antwort der Landesregierung

Anfrage des Abgeordneten Dragos Pancescu (GRÜNE)

Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung Nutzung des Tasers bei der Polizei Niedersachsen Anfrage des Abgeordneten Dragos Pancescu (GRÜNE), eingegangen am 22.10.2018 - Drs. 18/1917 an die Staatskanzlei übersandt am 23.10.2018

Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung vom 02.11.2018

Vorbemerkung des Abgeordneten

In Niedersachsen besteht bisher bei Einsätzen des Spezialeinsatzkommandos die Möglichkeit, ei-nen sogenannten Taser (Elektroimpulsgerät) als Hilfsmittel der körperlichen Gewalt einzusetzen. Der Einsatz des Tasers wurde über einen nicht veröffentlichten Erlass geregelt. Im künftigen Nie-dersächsischen Polizei- und Ordnungsbehördengesetz soll der Einsatz des Tasers gesetzlich ge-regelt werden. Da der Erlass nicht veröffentlicht wurde, ist unbekannt, für welche Einsatzlagen die Nutzung des Tasers vorgesehen ist und in welchem Umfang die Beamtinnen und Beamten über gesundheitliche Gefährdungen für Opfer informiert und trainiert werden.

Vorbemerkung der Landesregierung

Nach einer 12-jährigen Pilotierungsphase wurde das Distanzelektroimpulsgerät, sogenannter Taser, im Juni 2013 als Hilfsmittel der körperlichen Gewalt für den polizeilichen Gebrauch ausschließ-lich in Einsätzen des Spezialeinsatzkommandos Niedersachsen (SEK NI) zugelassen.

Der Taser ist als Hilfsmittel der körperlichen Gewalt im Sinne des § 69 Abs. 3 des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentlichen Sicherheit und Ordnung (Nds. SOG) eingestuft. Durch Erlass wurde der Einsatz des Tasers ausdrücklich auf die Fälle beschränkt, wenn der Einsatz körperlicher Gewalt oder anderer Hilfsmittel der körperlichen Gewalt keinen Erfolg verspricht und wenn durch den Gebrauch des Tasers die Anwendung von Waffen vermieden werden kann. Zudem darf außer in Fällen der Notwehr und Nothilfe das Gerät nicht gegenüber Kindern eingesetzt werden. Bei erkennbar schwangeren Frauen, herzvorgeschädigten Personen oder bei Personen unter Drogeneinfluss wird aus vorbeugenden Gründen auf den Einsatz verzichtet.

Die Beschränkung auf den ausschließlichen Einsatz durch das SEK NI ist wegen des hohen Trainingsaufwands und der Anwendung eines taktischen Konzepts, welches auch eine eventuelle Wirkungslosigkeit des Taser berücksichtigt, und der sonstigen technischen Rahmenbedingungen bislang als sachgerecht angesehen worden. Zudem empfiehlt auch die Deutsche Hochschule der Polizei, dortiges Polizeitechnisches Institut, dass von den bisher in Deutschland ausgesprochenen Empfehlungen zum Tasereinsatz bei entsprechender Beschulung nicht abgewichen werden sollte.

(...)

Der Erlass des MI vom 07.02.2014 zur Einführung und zum Einsatz des Tasers im SEK NI beinhaltet Regelungen

  • zur dienstlichen Verwendungszulassung,
  • zu rechtlichen Einsatzvoraussetzungen,
  • zu anwendungsausschließenden Gegebenheiten,
  • zum Umgang mit betroffenen Personen,
  • zur Einsatzdokumentation,
  • zur Fortbildung und
  • zur Beschaffung der Geräte.

(...)

Das Spezialeinsatzkommando Niedersachsen trainiert regelmäßig den Einsatz des Tasers, insbesondere das taktische Vorgehen mit entsprechenden Ausweichkonzepten.

Verteilt am 6.11.2018

Quelle: LT-DS 18/2002, z.B. hier: https://www.dragos-pancescu.de/fileadmin/docs/abgeordnete/dragos_pancescu/Antwort_LR_18-02002.pdf


1.10.2021 - Pressemitteilung der Polizei Hannover: POL-H: Garbsen: 39-Jähriger löst mit Bedrohung von Beamten größeren

Polizeieinsatz aus (darin noch kein Wort vom Einsatz eines Tasers!)


Hannover (ots) - Drohungen eines 39-Jährigen haben in der Nacht zu Freitag, 01.10.2021, einen größeren Polizeieinsatz in Garbsen verursacht. Der Mann hatte zunächst über Notruf wirre Angaben gemacht. Als Einsatzkräfte bei ihm zu Hause vorstellig wurden, bedrohte er diese. Am Rande des Einsatzes verschlechterte sich der Gesundheitszustand des Mannes. Er kam ins Krankenhaus.

Am Freitag, 01.10.2021, gegen 02:20 Uhr, meldete sich über Notruf ein 39-Jähriger und machte zusammenhanglose Angaben über angeblich von ihm begangene Straftaten. Bei Eintreffen der eingesetzten Beamten in der Wohnung am Bärenhof bedrohte er diese unmittelbar. Hierbei war er mit einem Messer bewaffnet und hielt einen metallischen Gegenstand in der Hand. Da der Mann weiterhin mit der Begehung von Straftaten drohte, brachten die Beamten die ebenfalls anwesende 38-jährige Ehefrau in Sicherheit und zogen sich zunächst vor die Wohnung zurück.

Aufgrund der nicht näher zu identifizierenden Bewaffnung des Tatverdächtigen und der andauernden Drohung mit weiteren Straftaten wurde das Spezialeinsatzkommando (SEK) hinzugezogen.

Gegen 05:30 Uhr betraten die Einsatzkräfte die Wohnung und konnten den Mann sichern. In der Folge verschlechterte sich sein Gesundheitszustand, so dass er zur stationären Behandlung in ein Krankenhaus gebracht wurde. Es besteht Lebensgefahr. /ram, schie

Quelle: http://presseportal.de/blaulicht/pm/66841/5035180


4.10.2021 - HAZ-Bericht dazu (erste öffentliche Schilderung des Falls)


Auszug (Hervorhebungen durch uns):

Die Staatsanwaltschaft Hannover hat die Obduktion des 39-Jährigen veranlasst, der am frühen Freitagmorgen vergangener Woche von einem Spezialeinsatzkommando (SEK) in Garbsen überwältigt wurde. Der Mann war verwirrt und bewaffnet. Aus ungeklärten Gründen starb der Verdächtige kurze Zeit später in einem Krankenhaus. (...) „Wir haben ein Todesermittlungsverfahren eingeleitet“, sagt Oliver Eisenhauer, Sprecher der Staatsanwaltschaft Hannover. Derzeit gebe es aber noch keine Hinweise auf ein mögliches Fremdverschulden. „Wir warten ab, was die Obduktion ergibt“, sagt Eisenhauer. Der Leichnam werde zurzeit untersucht, mit einem Ergebnis sei im Verlauf des Montags oder am Dienstag zu rechnen. (...) Eisenhauer sagt auf Nachfrage, dass ein Taser auf den 39-Jährigen abgefeuert wurde. (...) Die Stromstöße machen den Getroffenen bewegungs- und damit handlungsunfähig. (...) Andererseits erlitt beispielsweise 2019 in Pirmasens ein 56-Jähriger nach einem Taser-Einsatz einen tödlichen Herzinfarkt. (...) Der 39-Jährige war nach Angaben der Ermittler verwirrt und habe gegen 2.20 Uhr zusammenhanglose Aussagen beim Notruf gemacht. Als die Polizei in Garbsen im Stadtteil Auf der Horst anrückte, bedrohte der Mann die Beamten unter anderem mit einem Messer. Erst gegen 5.30 Uhr überwältigte ihn das SEK, am Abend verstarb er dann im Krankenhaus. (...)

Quelle: https://www.haz.de/Umland/Garbsen/Mann-stirbt-nach-SEK-Einsatz-in-Garbsen-Polizei-setzte-Taser-ein


5.10.2021 - taz-Bericht dazu


Mann stirbt nach Tasereinsatz

In Hannover ist am Freitag ein Mann gestorben, dessen Wohnung das SEK am Morgen gestürmt hatte

Von Michael Trammer

Im am dichtesten besiedelten Stadtteil der Gemeinde Garbsen „Auf der Horst“, der als multikulturell geprägt gilt, stürmte das Spezialeinsatzkommando der Polizei am frühen Freitagmorgen eine Wohnung. Ihr Bewohner, ein 39-jähriger Mann, starb am Abend im Krankenhaus.

Grund dafür könnte ein Distanzelektroimpulsgerät, auch „Taser“ genannt, sein. Dieser sei eingesetzt worden, um den Mann „kampfunfähig“ zu machen, sagt Oliver Eisenhauer, Sprecher der Staatsanwaltschaft Hannover, der taz am Telefon.

Der Einsatz begann damit, dass der Mann über den Notruf „wirre Angaben“ gemacht habe, über angeblich von ihm begangene Straftaten, heißt es in einer Mitteilung der Polizei Hannover. In seiner Wohnung habe er dann Po­li­zis­t*in­nen bedroht. Der Mann habe dabei einen metallischen Gegenstand und ein Messer in der Hand gehalten. Die Be­am­t*in­nen das Spezial­einsatzkommando (SEK) verständigt. Nachdem die Spezialeinheit die Wohnung gestürmt hatte, „verschlechterte sich sein Gesundheitszustand, so dass er zur Behandlung in ein Krankenhaus gebracht wurde“, heißt es weiter. Im Krankenhaus verstarb der Mann.

Laut Eisenhauer wurde nun ein Todesursachen-Ermittlungsverfahren eingeleitet. Mit einem Obduktionsergebnis sei in den kommenden Tagen zu rechnen. „Wenn sich daraus ein Anfangsverdacht für Fremdverschulden ergibt, wird gegebenenfalls ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.“

Taser sind in Niedersachsen seit 2001 ausschließlich bei Spezialeinheiten im Einsatz und werden durch das 2019 erneuerte niedersächsische Polizei- und Ordnungsgesetz als Waffe kategorisiert. Immer wieder flammt eine Debatte über den Einsatz der Elektroschocker auf. Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft Niedersachsen Patrick Seegers würde sie aber gerne landesweit bei Be­am­t*in­nen im Streifendienst im Einsatz sehen, sagte er der Bild.

In einer Stellungnahme von Amnesty International zu einem Entwurf des Gesetzes heißt es dagegen, die Gefährlichkeit von Tasern werde regelmäßig unterschätzt. Man habe zwischen 2001 und 2017 insgesamt 802 Todesfälle nach Taser-Einsatz in den USA dokumentiert. Amnesty begrüßte 2019 die Gesetzesbegründung, wonach auf einen Einsatz gegenüber Menschen unter Drogeneinfluss aus vorbeugenden Gründen verzichtet werden solle. Ob diese Maßgabe im aktuellen Fall des verstorbenen 39-Jährigen berücksichtigt wurde, werden Ermittlungen zeigen müssen.

Quelle: https://taz.de/!5805362/


5.10.2021 - zweiter HAZ-Bericht zur Sache


Auszüge (Hervorhebungen durch uns):

Taser-Einsatz in Garbsen: Mann war „in körperlich schlechter Verfassung

(...)

Die Staatsanwaltschaft Hannover macht erste Angaben zum Obduktionsergebnis des 39-Jährigen aus Garbsen. (...) Laut Staatsanwaltschaftssprecher Oliver Eisenhauer war der Mann vor seinem Tod „in einer körperlich schlechten Verfassung“. Er lässt allerdings auch auf Nachfrage offen, was darunter zu verstehen ist. Ebenso unklar bleibt noch, wieso genau der 39-Jährige am Freitagabend im Krankenhaus starb. „Es ist schwierig“, sagt Eisenhauer dazu. Aber: „Wir warten noch auf das toxikologische Gutachten.“ (...) Das endgültige Obduktionsergebnis werde frühestens in einer Woche vorliegen. Bis dahin bleibt auch ungeklärt, ob der Taser-Einsatz des SEK zumindest eine Mitschuld daran trägt, dass der 39-Jährige fast 15 Stunden nach seiner Festnahme starb. (...) Laut Eisenhauer habe eine Bedrohungslage vorgelegen, der 39-Jährige war mit einem Messer und einem metallischen Gegenstand bewaffnet. Er hatte drei Stunden zuvor den Notruf gewählt und wirre Angaben gemacht. Als die Ehefrau in Sicherheit war, schlug das SEK zu. Nachdem sich der Zustand des Mannes verschlechterte, kam er ins Krankenhaus. Konkrete Hinweise auf einen Tod durch Fremdverschulden gibt es bislang nicht.

Quelle: https://www.haz.de/Umland/Garbsen/Taser-Einsatz-in-Garbsen-Mann-war-in-koerperlich-schlechter-Verfassung


6.10.2021 - Presseanfrage an das Nds. Innenministerium


Sehr geehrte Damen und Herren,

aus bekanntem aktuellen Anlass haben wir folgende Fragen und bitten im Rahmen der Vorbereitung eines Beitrags um Beantwortung innerhalb von zwei Werktagen.

Seit 2013 setzt das SEK Nds "Elektroimpulsgeräte" (sog. "Taser") ein. Mit dem Inkrafttreten des NPOG am 24.5.2019 ist dieser Einsatz auch im dortigen § 69 (4) gesetzlich verankert und geregelt.

1.) Wie viele Taser-Waffen befinden sich derzeit im Besitz der Polizei Niedersachsen, wie viele davon bei den SEK's?

2.) Um welches Modell bzw. um welche Modelle (bspw. X26, M26 ...) handelt es sich dabei?

3.) Wie häufig wurden die Taserwaffen in den Jahren 2013 bis heute jeweils eingesetzt? (Aufgliederung nach Jahren)

4.) Wie häufig kam es in den jeweiligen Jahren im Zusammenhang mit Polizeieinsätzen, bei denen der Taser genutzt wurde, zu Verletzungen, die dem Tasereinsatz zugeordnet werden konnten? (Aufgliederung nach Jahren)

5.) Wie häufig kam es in den jeweiligen Jahren im Zusammenhang mit Polizeieinsätzen, bei denen der Taser genutzt wurde, zu Todesfällen? (Unabhängig von der Frage, ob die Todesursache mit dem Tasereinsatz in Verbindung gebracht werden konnte oder nicht. Aufgliederung nach Jahren)

6.) Wie lautet der Wortlaut der erlasslichen Regelung zum Einsatz von Distanzelektroimpulsgeräten vom 4.6.2013 bzw. neueren Datums, sofern erneuert/geändert? Sofern diese nach wie vor als Verschlusssachenanweisung in der Stufe „VS - Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft sein sollte: Wie lauten - inhaltlich - die Regelungen bzw. Bedingungen für den Einsatz von Taser in der Polizeipraxis? Dürfen die Taser bspw. (!) dann eingesetzt werden, wenn Anzeichen für Rauschmittelkonsum bei der mit der Taserwaffe angegriffenen Person vorliegen?

Viele gute Grüße,


7.10.2021 - Antwort vom Nds. Innenministerium - im Wesentlichen ein Copy&Paste von der obigen LT-DS vom 6.11.2018


[Anmerkung: Die Antwort an uns ging per CC auch noch an acht weitere Mail-Empfänger im Nds. Innenministerium, darunter dem LPP]

Niedersächsisches Ministerium für Inneres und Sport Hannover, 07.10.2021
Ref. 26 - Technik, Finanzen -
26.11

An
Redaktion Freiheitsfoo
z.Hd. Herrn xxx

Sehr geehrter Herr xxx,

zu Ihrer Anfrage ist abschließend folgendes anzuführen:

Nach einer 12-jährigen Pilotierungsphase wurde das Distanzelektroimpulsgerät, sog. “Taser“, im Juni 2013 als Waffe zur Ausübung unmittelbaren Zwanges für den polizeilichen Gebrauch ausschließlich in Einsätzen des Spezialeinsatzkommandos Niedersachsen (SEK NI) zugelassen.

Der Taser ist als Waffe im Sinne des § 69 Abs. 3 4 des Niedersächsischen Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes (NPOG) eingestuft und sein Einsatz darf nur unter den Voraussetzungen der §§ 69 ff. NPOG (Regelungen zur Ausübung unmittelbaren Zwangs) erfolgen. Darüber hinaus ist der Einsatz des Tasers zusätzlich durch Erlass ausdrücklich auf die Fälle beschränkt, bei denen durch den Gebrauch des Tasers die Anwendung von anderen Waffen vermieden werden kann. Zudem darf außer in Fällen der Notwehr und Nothilfe das Gerät nicht gegenüber Kindern eingesetzt werden. Bei erkennbar schwangeren Frauen, herzvorgeschädigten Personen oder bei Personen unter Drogeneinfluss wird aus vorbeugenden Gründen auf den Einsatz verzichtet.

Die Beschränkung auf den ausschließlichen Einsatz durch das SEK NI ist wegen des hohen Trainingsaufwandes und der Anwendung eines taktischen Konzeptes, welches auch eine eventuelle Wirkungslosigkeit des Taser berücksichtigt und der sonstigen technischen Rahmenbedingungen, bislang für sachgerecht angesehen worden. Zudem empfiehlt auch die Deutsche Hochschule der Polizei, dortiges Polizeitechnisches Institut, dass von den bisher in Deutschland ausgesprochenen Empfehlungen zum Tasereinsatz bei entsprechender Beschulung nicht abgewichen werden sollte.

Der einschlägige Erlass des MI, welcher gem. Verschlusssachenanweisung (VSA) in der Stufe "VS-Nur für den Dienstgebrauch" als geheimhaltungsbedürftig eingestuft ist, beinhaltet Regelungen

  • zur dienstlichen Verwendungszulassung,
  • zu rechtlichen Einsatzvoraussetzungen,
  • zu anwendungsausschließenden Gegebenheiten,
  • zum Umgang mit betroffenen Personen,
  • zur Einsatzdokumentation,
  • zur Fortbildung und
  • zur Beschaffung der Geräte.

Das Spezialeinsatzkommando Niedersachsen trainiert regelmäßig den Einsatz des Tasers, insbesondere das taktische Vorgehen mit entsprechenden Ausweichkonzepten.

Die weiter erbetenen Informationen sind ebenfalls gem. VSA in der Stufe "VS-Nur für den Dienstgebrauch" als geheimhaltungsbedürftig eingestuft. Ich bitte um Verständnis, dass auch hierzu keine weiteren Auskünfte gegeben werden können.

Mit freundlichem Gruß
Im Auftrage
xxx
Niedersächsisches Ministerium für Inneres und Sport
Landespolizeipräsidium Referat 26 -Technik, Finanzen-
Lavesallee 6, 30169 Hannover


7.10.2021 - Aufforderung an das Nds. Innenministerium, unsere Presseanfrage doch zu beantworten


Sehr geehrter Herr xxx,
sehr geehrte Damen und Herren.

Ihre Antwort besteht im allerwesentlichsten aus der 1:1-Wiedergabe der LT-DS 18/2002 vom 6.11.2018 ... um nicht von Copy&Paste zu sprechen.

Soweit danken wir Ihnen, allerdings war diese hier bereits bekannt. Immerhin meinen wir damit unsere Frage Nr. 6 inhaltlich beantwortet bzw. bekräftigt bekommen zu haben.

Sie verweisen "abschließend", dass "weiter erbetenen Informationen sind ebenfalls gem. VSA in der Stufe 'VS-Nur für den Dienstgebrauch' als geheimhaltungsbedürftig eingestuft" seien.

Aus presserechtlicher Sicht erschließt sich uns nicht, warum die Auskunft über:

  • Anzahl und Art der vorhandenen Taser-Waffen,
  • Auskunft über die Häufigkeit von Taser-Einsätzen,
  • Anzahl von Taser-Einsätzen im Zusammenhang mit Verletzungen oder Todesfolge bei vom Taser-Einsatz Betroffenen

als "VS-NfD" bzw. geheimhaltungsbedürftig einzustufen seien.

Die erbetenen Informationen sind nicht dazu geeignet, die Arbeit des nds. SEK zu beeinträchtigen oder daraus Hinweise auf dessen Taktik entnehmen zu können.

Vielmehr ist unsere Presseanfrage alleine deswegen von besonderer Bedeutung und zu beantworten, weil die PD Hannover in ihrer ersten Pressemitteilung zum Vorgang (PM vom 1.10.2021) mit keinem Wort auf den Einsatz der Taser-Waffe hingewiesen hat und dieser Umstand erst später durch die Pressearbeit Anderer öffentlich geworden ist.

Das Weglassen dieser wichtigen Information in der Pressearbeit der Polizei begründet geradezu die von uns gestellten (Nach-)Fragen. Es besteht ein bedeutendes öffentliches Interesse an der Beantwortung unserer Fragen.

Daher möchten wir Sie hiermit nochmals dringend darum bitten, unsere Fragen zu beantworten.

Wir bitten um Rückmeldung bis Freitag abend, den 8.10.2021.

Vielen Dank für Ihre Arbeit und viele gute Grüße,


8.10.2021 - Nds. Innenministerium respektive Landespolizeipräsidium: Wir geben keine weitere Auskunft


Sehr geehrter Herr xxx,

wie bereits angegeben sind unsere Antworten abschließend. Eine weitere Beantwortung erfolgt nicht. Sämtliche für Sie zugängliche Informationen wurden Ihnen übermittelt.

Mit freundlichem Gruß
Im Auftrage
xxx
Niedersächsisches Ministerium für Inneres und Sport
Landespolizeipräsidium


9.10.2021 - freiheitsfoo.de-Blog: Polizei verschweigt den Einsatz eines Taser-Elektroschockers bei einem Polizeieinsatz in Garbsen bei Hannover, bei dem ein Mann „gesichert“ wurde und anschließend verstorben ist und erklärt die Beantwortung dringender Fragen von öffentlichem Interesse als „geheimhaltungsbedürftig“


https://freiheitsfoo.de/2021/10/09/toedlicher-tasereinsatz-nds-geheimhaltungsbeduerftig/


12.10.2021 - Nds. Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) will Taser für alle Streifenpolizisten


(Hervorhebungen durch uns)

Polizeigewerkschaft fordert Taser für Streifenpolizisten

Stand: 12.10.2021 20:07 Uhr

Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) setzt sich für den Einsatz von Tasern auch für Streifenpolizisten ein. Hintergrund ist der Tod eines Geflüchteten bei einem Polizeieinsatz im Landkreis Stade.

Polizistinnen und Polizisten seien zuletzt häufiger bei Einsätzen auf psychisch labile Personen getroffen, die verbal nicht mehr zu erreichen gewesen seien, sagte der Landesverbandsvorsitzende Patrick Seegers. Nach aktueller Gesetzeslage bleibe den Beamten als letztes Mittel zur Abwehr nur der Griff zur Schusswaffe. Und dies sei keine Situation, die man sich wünsche, sagte Seegers. Für die Nutzung von sogenannten nicht-tödlichen Waffen für Polizisten warb auch der DPolG-Vorsitzende in Lüneburg, Christian-Tobias Gerlach. Dies würde den Beamten bei entsprechenden Einsätzen "adäquate Entscheidungsoptionen" eröffnen, sagte Gerlach dem Politik-Journal "Rundblick".

Gewerkschaft: Ein Taser pro Streifenwagen

Die Gewerkschaft fordert daher, die in Niedersachsen bislang für Spezialeinsatzkommandos (SEK) erlaubten Elektroimpulsgeräte auch für Streifenpolizisten zuzulassen. "Auf jeden Fall sollte diese Ausstattung mindestens pro Streifenwagen einmal vorhanden sein, damit sie auch effizient genutzt werden kann", sagte Seegers. Der Einsatz solcher Elektroimpulsgeräte könne unter Umständen zwar auch zu tödlichen Verletzungen führen - der Tod durch einen Taser sei aber weniger wahrscheinlich als bei dem Einsatz einer Schusswaffe, sagte Seegers.

Innenministerium: Taser-Einsatz nur für SEK

Im Innenministerium stößt die Initiative nicht auf Gehör: Es werde bei dem Einsatz ausschließlich für das SEK bleiben, teilte das Ministerium am Dienstag mit. Begründet wurde die Beschränkung unter anderem mit einem hohen Trainingsaufwand für das Gerät. In anderen Bundesländern ist der Taser-Einsatz dagegen auch für Streifenpolizisten erlaubt.

Zwei Tote bei Polizeieinsätzen

In Niedersachsen hatten zuletzt zwei Fälle für Aufsehen gesorgt: Vor rund einer Woche wurde ein 40-Jähriger in einer Asylbewerberunterkunft in Harsefeld (Landkreis Stade) von einem Polizisten erschossen. Nach Angaben der Polizei soll der Geflüchtete die Beamten zuvor mit einem Messer bedroht haben. Auf der anderen Seite steht der Tod eines 39 Jahre alten Mannes bei einem SEK-Einsatz in Garbsen (Region Hannover), bei dem ein Taser verwendet wurde. Welche Rolle der Taser spielte, soll eine Obduktion klären.

Quelle: https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/Polizeigewerkschaft-fordert-Taser-fuer-Streifenpolizisten,taser108.html


6.10.2021 - Neustadt/Rheinland-Pfalz


12.10.2021 - Bericht vom SWR


(Hervorhebungen durch uns.)

Tod nach Polizeieinsatz

Taser-Einsatz in Neustadt: Mann starb vermutlich an Herzinfarkt

Nach dem Tod eines Mannes in Neustadt nach einem Polizeieinsatz mit einem Taser (Elektroschockgerät) liegen nun erste Obduktionsergebnisse vor. Im Moment vermuten Polizei und Staatsanwaltschaft, dass der Mann an einem Herzinfarkt starb.

Wie der Leitende Frankenthaler Oberstaatsanwalt Hubert Ströber dem SWR sagte, wurde bei dem Mann ein stark vergrößertes Herz festgestellt. Aktuell ist noch unklar, ob der Mann tatsächlich einen Herzinfarkt erlitt und daran starb - und ob der Taser der Auslöser war. Weitere Gewebeproben sollen das feststellen. Auch ein Gutachten, ob der Mann Drogen, Alkohol oder Gift im Körper hatte, steht noch aus.

Der Taserpfeil steckte bei der Obduktion noch im Rücken der Leiche, sagte der Staatsanwalt. Rippenbrüche seien wahrscheinlich auf Wiederbelebungsversuche zurückzuführen. Es gebe bisher keine Anzeichen, dass die Beamten weitere Gewalt eingesetzt hätten.

Was führte zu dem Tasereinsatz in Neustadt?

Dem Bericht der Staatsanwaltschaft Frankenthal und des Polizeipräsidiums Rheinpfalz zufolge wurde den Beamten am späten Mittwochabend, dem 6. Oktober, ein Mann gemeldet, der auf der Rotkreuzstraße in der Nähe des Stadionbades in Neustadt herumschreie und Anwohner hindere, in ihr Haus zu kommen.

Wiederbelebung glückte nicht

Gegenüber den Polizisten habe sich der 53-Jährige aggressiv verhalten und sie angegriffen. Die Beamten hätten daraufhin zunächst ein Pfefferspray eingesetzt und als das nicht ausreichte, ein Elektroschockgerät. Das habe ihn zu Boden gebracht und die Beamten hätten versucht, ihn festzunehmen. Noch im Liegen habe er um sich getreten und dabei eine 26-jährige Polizistin am Kopf verletzt. Dann habe er plötzlich einen Kreislaufstillstand erlitten. Wiederbelebungsversuche des sofort herbeigerufenen Notarzt scheiterten. Die verletzte Polizeibeamtin musste in ein Krankenhaus gebracht werden, wo sie ambulant behandelt wurde.

Jeder Streifenwagen in Rheinland-Pfalz wird mit Taser ausgestattet

Wie eine Anfrage des SWR beim Innenministerium in Rheinland-Pfalz am Dienstag ergab, gab es 431 Fälle im Jahr 2020, in denen ein sogenanntes Distanzelektroimpulsgerät (DEIG) - also ein Taser - zum Einsatz kam. Allerdings, so das Ministerium, habe das Gerät vor allem eine abschreckende Wirkung, so dass "die Situation in den überwiegenden Fällen durch eine Androhung gelöst" werden könne. Zuletzt hatte das Land etwa 400 Taser beschafft, um alle Streifenwagen damit auszurüsten. Nur entsprechend geschulte Beamte dürfen das Gerät laut Ministerium benutzen.

Quelle: https://www.swr.de/swraktuell/rheinland-pfalz/ludwigshafen/womoeglich-herzinfarkt-nach-taser-einsatz-der-polizei-in-neustadt-obduktion-100.html


18./19.10.2022 - Dortmund/Nordrhein-Westfalen


19.10.2022 - Stern


Dortmund - Taser-Einsatz der Polizei: Herzkranker Mann stirbt

19.10.2022, 17:20

Vier Polizisten gehen gegen einen mutmaßlichen Randalierer vor - und setzen einen "Taser" ein. Der 44-jährige Wohnungslose stirbt später im Krankenhaus - er war laut Obduktion herzkrank.

Zum zweiten Mal innerhalb von knapp drei Monaten in Dortmund ist ein Mann nach einem Polizeieinsatz ums Leben gekommen. Der 44-Jährige starb in der Nacht zum Mittwoch nach dem Einsatz eines sogenannten Tasers. Bei dem Toten handelt es sich nach Angaben der zuständigen Staatsanwaltschaft um einen gebürtigen Dortmunder, der zuletzt ohne festen Wohnsitz war. Laut Obduktion war der Mann schwer herzkrank und stand zudem unter erheblichem Alkoholeinfluss, teilten die Polizei Recklinghausen und die Staatsanwaltschaft Dortmund am Nachmittag mit.

"Im Rahmen der heute durchgeführten Obduktion konnte eine Kausalität zwischen dem Einsatz des Distanzelektroimpulsgerätes und dem Todeseintritt nicht sicher festgestellt werden", hieß es. Der 44-Jährige habe ein "schwer vorerkranktes Herz" gehabt, zudem gebe es "Anhaltspunkte zumindest für eine erhebliche Alkoholintoxikation". Ein toxikologisches Gutachten soll genauere Auskunft geben, ob der 44-Jährige auch unter Betäubungsmitteleinfluss stand und wie stark der Alkoholeinfluss war.

Zuvor hatte eine Polizeisprecherin bestätigt, dass gegen den Mann "ein Distanzelektroimpulsgerät zum Einsatz gekommen" sei - also ein "Taser". Drei Polizeibeamte und eine Beamtin seien an dem Einsatz beteiligt gewesen, erläuterte Staatsanwalt Kruse. Sie seien zum Teil bereits vernommen worden, jetzt aber wieder zu Hause, weil sie schon lange im Dienst waren. "Derzeit gibt es keinen Anfangsverdacht gegen einen von ihnen. Es sieht so aus, als wäre der Einsatz korrekt abgelaufen und die Beamten hätten sich richtig verhalten."

Bodycams wurden sichergestellt

Die Bodycams der Beamten wurden sichergestellt und werden nun ausgewertet. Ob sie während des Einsatzes eingeschaltet waren, konnte Kruse noch nicht sagen. Aus Neutralitätsgründen übernahmen die Beamten aus dem benachbarten Recklinghausen die polizeilichen Ermittlungen in dem Dortmunder Fall.

Laut Staatsanwaltschaft waren die vier Einsatzkräfte gegen 4.40 Uhr wegen eines mutmaßlichen Randalierers in den Dortmunder Stadtteil Dorstfeld ausgerückt. Ein Anwohner hatte die Polizei alarmiert, weil ein Mann auf der Straße herumschrie, randalierte und gegen Autos schlug. Als die drei Polizisten und ihre Kollegin eintrafen, habe der 44-Jährige mit der Faust gegen einen der Streifenwagen geschlagen und dann versucht, über die Beifahrertür in den Polizeiwagen zu gelangen. Weil die Tür verriegelt war, probierte er es auf der Fahrerseite. Dem dort ausgestiegenen Beamten habe er "mit der Faust gegen den Kopf" geschlagen und ihn dabei verletzt. Dann sei er in den Streifenwagen eingedrungen.

Die Schilderungen von Polizei und Staatsanwaltschaft decken sich mit Zeugenaussagen, über die die "Ruhr Nachrichten" (Mittwoch) berichteten. Demnach war der Randalierer auf den Polizeiwagen losgegangen, habe einen Polizisten überwältigt und versucht, mit dem Polizeiauto davon zu fahren.

Tod des 44-Jährigen im Krankenhaus festgestellt

Zu diesem Zeitpunkt der Auseinandersetzung setzte ein Beamter das Distanzelektroimpulsgerät (DEIG) ein. Nach der vorläufigen Festnahme sei der Mann kollabiert und "reanimationspflichtig" geworden. Nach Angaben von Zeugen sowie Polizei und Staatsanwaltschaft begannen Einsatzkräfte sofort mit der Reanimation des Mannes. Ein Notarzt habe dann die Wiederbelebungsversuche fortgesetzt. Um 6.18 Uhr sei im Krankenhaus der Tod des 44-Jährigen festgestellt worden.

Der Bereich um den Einsatzort an der Wittener Straße im Bereich der Straße Am Hartweg nahe der A40, dem sogenannten Ruhrschnellweg, war stundenlang gesperrt. Spuren wurden gesichert.

Für die Polizei Dortmund ist es der zweite tödlich verlaufene Einsatz binnen 73 Tagen. Am 8. August war ein 16 Jahre alter Flüchtling aus dem Senegal in Dortmund von einem Polizisten erschossen worden. Auch im Verlauf dieses Einsatzes waren Taser zum Einsatz gekommen, hatten aber nicht die beabsichtigte Wirkung bei dem Jugendlichen erzielt. In diesem Fall laufen derzeit noch umfangreiche Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen fünf Beamte.

Nach bisher bekanntem Ermittlungsstand soll ein Beamter seinerzeit sechs Mal mit einer Maschinenpistole auf den Jugendlichen geschossen haben. Ausgelöst worden war der Einsatz, weil bei dem mit einem Messer bewaffneten Jugendlichen der Verdacht eines Suizidversuchs vorlag. Laut NRW-Innenministerium und der Ermittler waren die Bodycams der Einsatzkräfte zum Schutz der Persönlichkeit des Opfers damals nicht eingeschaltet. Der 16-Jährige starb, wie die Obduktion ergab, von vier Projektilen getroffen später im Krankenhaus. Unklar ist bis heute, ob und wie der Jugendliche mit einem Messer auf die Beamten zugegangen war und sie damit bedroht hatte.

Die Elektroschock-Pistole war ein umstrittenes Thema während der Koalitionsverhandlungen nach der Landtagswahl Mitte Mai in NRW. CDU und Grüne einigten sich letztlich darauf, die Geräte zunächst bis 2024 weiter zu testen und mit einer Bodycam zu koppeln.

Gründliche Untersuchung des Einsatzes gefordert

Nun forderte die Grünen-Regierungsfraktion im Landtag eine gründliche Untersuchung des Polizeieinsatzes in Dortmund-Dorstfeld. "Sollte der Tod des Mannes im Zusammenhang mit dem Taser-Einsatz stehen, muss geprüft werden, welche Konsequenzen dies für den zukünftigen Einsatz von Tasern bei Polizeieinsätzen hat", sagte die innenpolitische Sprecherin Julia Höller.

Die Grünen hätten in den vergangenen Jahren "immer wieder" die verschiedenen Probleme beim Taser angesprochen. "Der Einsatz ist nicht ungefährlich, und er ist nicht für alle Einsatzsituationen geeignet", sagte Höller. Noch vor der Bildung der Koalition mit der CDU hatten die Grünen in ihrem Wahlprogramm eine Ausstattung mit Tasern außerhalb der Spezialkräfte unter anderem wegen der gesundheitlichen Gefahren abgelehnt.

Wie die dpa erfuhr, bat die SPD im NRW-Landtag kurzfristig um einen Bericht über den neuen Fall durch Innenminister Herbert Reul (CDU) in der für Donnerstag geplanten Sitzung des Innenausschusses. Deren Vorsitzende Angela Erwin (CDU) lehnte dieses Ansinnen am Nachmittag jedoch ab.

Quelle: https://www.stern.de/panorama/dortmund--taser-einsatz-der-polizei--herzkranker-mann-stirbt--32829566.html


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Zuletzt geändert am 21.10.2022 04:02 Uhr