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VDS-SPD


Die SPD und die Vorratsdatenspeicherung


Überblick: Geschichte der Vorratsdatenspeicherung in Deutschland

Am 9.11.2007 haben die Bundestagsfraktionen von CDU und SPD trotz zahlreicher Sachkritik für die Einführung der Vorratsdatenspeicherung in Deutschland abgestimmt.

Das dazugehörige Gesetz erlangte zum 1.1.2008 in Teilen, zum 1.1.2009 in voller Gänze Rechtskraft.

Aufgrund der größten erfolgreichen Massen-Verfassungsbeschwerde des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung schränkte das Bundesverfassungsgericht die dazugehörigen Gesetze am 11.3.2008 stark ein. Per Urteil vom 2.3.2010 erklärte es die damalige Gesetzesgrundlage für verfassungswidrig und nichtig.

Die SPD zur Vorratsdatenspeicherung

Auf dem SPD-Bundesparteitag vom 4. bis zum 6. Dezember 2011 haben "Spitzenpolitiker" der SPD auf ihrem Bundesparteitag in Berlin gegen eine breite Strömung aus Basis und Rechtsexperten für einen Beschluß gesorgt, der die Wiedereinführung einer Vorratsdatenspeicherung zum Ziel hat.

In offenen Briefen vom 21.12.2011 wurde zahlreiche und im Detail an den jeweiligen Redebeiträgen belegte Kritik an dem Inhalt der Begründung zur Durchboxung dieses Beschlusses geübt (Brief im Original hier.). Abgesehen von ein paar inhaltsarmen Rückmeldungen (Herr Reichenbach hier, Frau Bulmahn hier, Herr Oppermann hier und hier) gab es keinerlei konkretes Eingehen auf die Kritikpunkte.

26.11.2013 E-Mail vom SPD-Parteivorstand zum Thema Vorratsdatenspeicherung

Erst fast zwei Jahre später, am 26. November 2013, und am gleichen Tag, an dem bekannt wurde, dass sich CDU/CSU und SPD in den Koalitionsverhandlungen zur neuen Bundesregierung auf die Wiedereinführung einer Vorratsdatenspeicherung geeinigt haben, gab es zu den Vorwürfen eine Rückmeldung vom SPD-Parteivorstand. Und dieses auch nur, nachdem bereits drei mal mit der Bitte um Beantwortung nachgehakt worden war, zuletzt am 25.11.2013.

Der Wortlaut der E-Mail, gesendet um 13:14 Uhr:

 Sehr geehrter Herr E...,

 vielen Dank für Ihre E-Mail, die uns am 26.11.2013 erreicht hat.

 Sicherlich haben Sie Verständnis dafür, dass der SPD-Parteivorsitzende, Herr Sigmar Gabriel, nicht alle an ihn gerichteten Zuschriften persönlich beantworten kann.
 Er hat mich gebeten, auf Ihre Nachricht zu antworten.

 Ihre Ausführungen haben wir sehr aufmerksam gelesen und mit Interesse zur Kenntnis genommen.

 Wir werten alle an den Parteivorstand gerichteten Schreiben sehr sorgfältig aus; somit fließen auch Ihre Anregungen und Hinweise in die Planung der zukünftigen Aktivitäten mit ein.

 Die Diskussion über die sogenannte (und begrifflich in die Irre führende) Vorratsdatenspeicherung wird sehr intensiv und auch sehr emotional geführt.
 Und das ist auch gut so: Es geht schließlich um die Diskussion darüber, wo die Grenzen für Eingriffe des Staates in das Grundrecht auf Telekommunikationsgeheimnis
 im Speziellen und für Eingriffe in die Grundrechte auf informationelle Selbstbestimmung  und auf digitale Intimsphäre  im Allgemeinen verläuft. Eben jene Grundrechte,
 deren Bedeutung heute und in Zukunft rasant an Bedeutung gewinnen wird. Denn aktuell, wie kaum zuvor in unserer Verfassungsgeschichte, wird deutlich: Datenschutz
 sichert persönliche Freiheit und Selbstbestimmung. Dabei sind sich grundsätzlich alle einig: Niemand will einen gläsernen Menschen, niemand will ernsthaft einen
 Präventionsstaat, der auf der Suche nach Gefahrenquellen auch Unbeteiligte überwacht und kontrolliert. 

 Der Ursprung der Diskussion über die sogenannte Vorratsdatenspeicherung ist das Entsetzen über Terrorakte von ungeheurem Ausmaß. Wir alle erinnern uns an die
 Anschläge in den USA, auf die Nahverkehrszüge in Madrid, auf die U-Bahnen und Busse in London. Hiernach stellte sich schnell heraus: Die Attentäter nutzen
 modernste Kommunikationswege und -technik, um ihre Terrorziele zu erreichen. Es zeigte sich in dramatischer Weise, dass die Täter den Ermittlungsbehörden und
 deren Strategien und bisherigen (analogen) Kompetenzen enteilt waren. Das, was über Jahre unstrittig und auch wirksam war, zeigte gegen die Terroristen des
 21. Jahrhunderts wenig Wirkung.

 Spanien und Großbritannien, die in den Jahren 2004 und 2005 blutige Terroranschläge zu beklagen hatten, baten die EU-Kommission um den Erlass einer Richtlinie.
 Die Telekommunikationsanbieter sollten verpflichtet werden, die anfallenden Daten ihrer Kunden für eine festgeschriebene Zeit zu erheben und zu speichern.
 Auf Daten von Kunden, die verdächtig sind, schwere Straftaten zu planen oder gar schon begangen zu haben, sollten die Ermittlungsbehörden auf Antrag zugreifen dürfen. 
 Mit Hilfe solcher Daten wurde die Terrorzelle, die die Anschläge in Madrid verübt hatte, schnell dingfest gemacht, noch bevor sie weitere Attentatspläne umsetzen konnte.
 Die norwegischen Ermittlungsbehörden konnten mit dieser Möglichkeit zuletzt schnell ausschließen, dass nach der Festnahme von Anders Behring Breivik eine weitere
 Gefahr durch Bomben oder Mittäter besteht. 

 2006 kam die EU-Kommission der Bitte nach.  Seit dem sind die Mitgliedsstaaten der EU verpflichtet, ein Gesetz zu erlassen, das die einheitliche Speicherung  der
 Verbindungsdaten bei den jeweiligen Telekommunikationsunternehmen für mindestens 6, höchstens 24 Monate regelt. Bei Tatverdacht auf eine schwere Straftat eines
 Kunden / eine Kundin sollen die Ermittlungsbehörden bei den Telekommunikationsunternehmen Einblick in die einschlägigen Verbindungsdaten nehmen dürfen.

 Deutschland hat 2007 ein Umsetzungsgesetz erlassen. Dieses Gesetz wurde 2010 vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt. Das Gericht hat die konkrete
 Umsetzung als unvereinbar mit dem verfassungsmäßigen Telekommunikationsgeheimnis (Artikel 10 Grundgesetz) bewertet. 
 Wichtig ist aber, dass das Gericht in seiner Entscheidung die Erforderlichkeit des Ermittlungsinstruments, das mit der Umsetzung der Richtlinie errichtet werden soll,
 nicht in Frage stellt. Vielmehr heißt es: „Eingebunden in eine dem Eingriff adäquate gesetzliche Ausgestaltung kann sie den Verhältnismäßigkeitsanforderungen genügen.“ 

 Die SPD hat dieses Urteil ausdrücklich begrüßt. Für die SPD ist klar, dass die Vorgaben bei der Ausgestaltung eines Umsetzungsgesetzes strikt befolgt werden müssen.
 Denn, die von der EU-Richtlinie geforderte Speicherungsverpflichtung stellt einen gravierenden Eingriff in die Grundrechte der Nutzerinnen und Nutzer von
 Telekommunikationsdiensten dar. Insbesondere die von der Richtlinie vorgeschriebene Mindestspeicherdauer von 6 Monaten greift unverhältnismäßig stark in das Grundrecht ein.

 Deshalb haben Innen- und Rechtspolitiker, gemeinsam mit Netzpolitkern der SPD Eckpunkte formuliert, die bei einem erneuten Gesetzgebungsverfahren zwingend zu beachten sind.
 Diese sind auf dem Bundesparteitag der SPD am 6.12.2011 von der Mehrheit der Delegierten beschlossen worden. Hierin heißt es:

 „Wir setzen uns auf europäischer Ebene für eine Revision der EU-Richtlinie ein. Insbesondere für die Möglichkeit auf nationaler Ebene weitere Einschränkungen regeln zu können:
 - eine Verkürzung der Speicherfristen auf deutlich unter sechs Monate. Feststellungen in der Praxis haben ergeben, dass eine Speicherdauer von drei Monaten in aller Regel ausreichend ist.
 - eine Differenzierung der Speicherdauer und Zugriffsvoraussetzungen anhand der zu speichernden Datenarten hinsichtlich ihrer Eingriffsintensität.

 Zudem müssen die Telekommunikationsunternehmen gesetzlich verpflichtet werden, mindestens den vom Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 02.03.2010
 festgelegten Datenschutz-Standard zu gewährleisten und aktuellen Entwicklungen anzupassen. Die so bei den Providern gespeicherten und geschützten Daten dürfen zur
 Strafverfolgung nur abgerufen werden, wenn ein Nutzer / eine Nutzerin verdächtig ist, schwerste Straftaten gegen Leib, Leben oder sexuelle Selbstbestimmung begangen zu haben.

 Wir stellen klar:
 - Ein Abruf für zivilrechtliche Zwecke muss rechtssicher ausgeschlossen werden (z.B. bei Urheberrechts- und Copyright-Fragen).
 - Die nach der Rechtsgrundlage für eine Vorratsdatenspeicherung erhobenen Daten dürfen nicht zur Erstellung eines Bewegungsprofils abgefragt werden.

 Auf Antrag der Staatsanwaltschaft wird richterlich darüber entschieden, ob die Daten eines Nutzers / einer Nutzerin durch Ermittlungsbehörden bei einem Provider
 abgerufen werden dürfen. Um die Garantie der Rechtsstaatlichkeit zu gewährleisten, ist ein qualifizierter Richtervorbehalt vorzusehen. 
 Über einen erfolgten Abruf muss zwingend eine revisionssichere Protokollierung erfolgen. Dem / der Betroffenen ist eine nachgelagerte Auskunft über den Datenabruf zu erteilen.
 Für die Daten eines Berufsgeheimnisträgers gilt ein absolutes Verwertungsverbot.
 Grob fahrlässige (gegen Datensicherheit-Standards) oder vorsätzliche Verstöße gegen die vorstehenden Regelungen, müssen strenge Sanktionen nach sich ziehen.“
 Im Rahmen dieser Einschränkungen und Einhaltung der strengen Voraussetzungen, die das Bundesverfassungsgericht für eine Umsetzung der Richtlinie festgelegt hat,
 ist der Abruf der Telekommunikationsverbindungdaten bei den Providern durch Ermittlungsbehörden ein verhältnismäßiges Instrument.

 Mit freundlichen Grüßen aus dem Willy-Brandt-Haus

 Juliane W...

 SPD-Parteivorstand
 Direktkommunikation

27.11.2013 Offener Brief an den Parteivorstand der SPD

Auf diese ebenfalls nicht auf die konkrete Kritik eingehenden Zeilen haben wir von freiheitsfoo am 27.11.2013 den folgenden offenen Brief an die SPD zurückgeschrieben:

 Sehr geehrte Damen und Herren vom SPD-Parteivorstand,


 am 6. Dezember 2011 haben einige "Spitzenpolitiker" aus Ihren Reihen des Vorstands auf dem damaligen SPD-Bundesparteitag in Berlin dafür gesorgt, dass sich die SPD
 entgegen vieler warnenden Stimmen aus expertisen Kreisen und aus der Basis grundsätzlich für eine Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung ausgesprochen haben.

 Die dieses befürwortenden Debattenbeiträge, die die Vertreter dieser Linie damals in Ihren Wortbeiträgen angeführt haben (es handelt sich im Detail um Herrn Gabriel,
 Frau Lambrecht, Herrn Oppermann, Herrn Jäger, Herrn Reichenbach und Herrn Scholz), waren gespickt mit Halb- und Unwahrheiten. Darauf wurden alle diese Redner*innn
 in offenen Briefen vom 21. Dezember 2011 einzeln und im Detail belegt hingewiesen.

 Wir von der Initiative freiheitsfoo finden es erstaunlich, dass Sie immerhin fast zwei Jahre benötigt haben, um auf diese Vorwürfe überhaupt zu reagieren.
 Von einem Eingehen auf die Sachargumente bzw. Vorwürfe kann allerdings keine Rede sein. Doch immerhin: Ihre Rückmeldung - um mehr handelt es sich substantiell
 nicht - sowie die aktuelle Entwicklung im Rahmen der Koalitionsverhandlungen in Berlin geben uns die Gelegenheit, auf ein paar Ihrer neuesten Äußerungen einzugehen.

 Das möchten wir hiermit öffentlich tun.


 So schreiben Sie unter anderem:

 "Die Diskussion über die sogenannte (und begrifflich in die Irre führende) Vorratsdatenspeicherung wird sehr intensiv und auch sehr emotional geführt."

 Der Begriff der "sogenannten Vorratsdatenspeicherung" führt in die Irre? Möchten Sie sich an der Neusprech-Initiative zur "Mindestspeicherfrist" beteiligen
 oder können Sie uns erklären, was sie mit diesem Einschub ansonsten im Detail ausdrücken wollen? 

 Tatsächlich wird die Diskussion nicht ausschließlich emotional geführt. Und wenn dieses doch der Fall ist, dann könnte das unter anderem daran liegen, dass
 Sie - wie in diesem Zusammenhang eindrucksvoll bewiesen - offenbar nicht willens sind, eine Debatte anhand von Sachargumenten führen zu wollen. Wie anders
 lässt es sich erklären, dass es Ihnen als Parteivorstand auch nach 23 Monaten nicht möglich ist, inhaltlich auf die vorgebrachten sachlichen und gehaltvollen
 Vorwürfe einzugehen? Dass dieses Verhalten und jede Menge ähnliche Erfahrungen bei inzwischen sehr vielen Menschen die Geduld an sachlicher und konstruktiver
 Diskussionbereitschaft zu Neige gehen lässt und Politik- oder Systemverdrossenheit entsteht, müssen Sie sich mit anrechnen lassen. Diese Entwicklungen können
 zu dem führen, was sie doch eigentlich behaupten bekämpfen zu wollen: Frustration und Unzufriedenheit - und alles, was daraus erwachsen kann.


 Weiter teilen Sie uns mit:

 "Dabei sind sich grundsätzlich alle einig: Niemand will einen gläsernen Menschen, niemand will ernsthaft einen Präventionsstaat, der auf der Suche nach
 Gefahrenquellen auch Unbeteiligte überwacht und kontrolliert."

 Sie sollten sich darüber im Klaren sein, dass diese hehren Worte nichts anderes als Geschwätz sind, wenn Sie die Wiedereinführung irgendeiner anlasslosen und
 totalen Erfassung der Telekommunikations-Verbindungsdaten der ganzen Bevölkerung unseres Landes betreiben. Sie hebeln mit der Vorratsdatenspeicherung die
 demokratische Rechtsgrundlage der Unschuldsvermutung aus, Sie sorgen für die Akkumulation hochsensibler personenbezogener Daten, die in der heutigen Welt
 niemals ausreichend sicher vor Kopie oder Manipulation zu schützen sein werden, sie bescheren uns eine systemnormierte Überwachungsinfrastruktur und behaupten,
 sie wollten einem Präventionsstaat keinen Vorschub leisten?


 Es heißt dann in Ihrem Schreiben:

 "Wir alle erinnern uns an die Anschläge in den USA, auf die Nahverkehrszüge in Madrid, auf die U-Bahnen und Busse in London."

 Die von Ihnen genau an dieser Stelle eingebrachte "Wir"-Form ist äußerst aufschlußreich, weil Sie Ihren an dieser Stelle rhetorisch-manipulativen Betroffenheitsstil
 entlarvt. Alles andere erklärt sich unter Beachtung dieses Vorzeichens beim Weiterlesen von alleine.


 Weiter in Ihrem Brief geht es mit:

 "Wichtig ist aber, dass das Gericht in seiner Entscheidung die Erforderlichkeit des Ermittlungsinstruments, das mit der Umsetzung der Richtlinie errichtet werden soll,
 nicht in Frage stellt."

 Wichtig ist aber auch, dass das Gericht in seiner Randnummer 218 des Beschlusses vom 2. März 2010 gesagt hat:

 "Die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit einer vorsorglich anlasslosen Speicherung der Telekommunikationsverkehrsdaten setzt vielmehr voraus, dass diese
 eine Ausnahme bleibt. Sie darf auch nicht im Zusammenspiel mit anderen vorhandenen Dateien zur Rekonstruierbarkeit praktisch aller Aktivitäten der Bürger führen.
 Maßgeblich für die Rechtfertigungsfähigkeit einer solchen Speicherung ist deshalb insbesondere, dass sie nicht direkt durch staatliche Stellen erfolgt, dass sie
 nicht auch die Kommunikationsinhalte erfasst und dass auch die Speicherung der von ihren Kunden aufgerufenen Internetseiten durch kommerzielle Diensteanbieter
 grundsätzlich untersagt ist. Die Einführung der Telekommunikationsverkehrsdatenspeicherung kann damit nicht als Vorbild für die Schaffung weiterer vorsorglich
 anlassloser Datensammlungen dienen, sondern zwingt den Gesetzgeber bei der Erwägung neuer Speicherungspflichten oder -berechtigungen in Blick auf die Gesamtheit
 der verschiedenen schon vorhandenen Datensammlungen zu größerer Zurückhaltung. Dass die Freiheitswahrnehmung der Bürger nicht total erfasst und registriert werden
 darf, gehört zur verfassungsrechtlichen Identität der Bundesrepublik Deutschland (vgl. zum grundgesetzlichen Identitätsvorbehalt BVerfG, Urteil des Zweiten Senats
 vom 30. Juni 2009 – 2 BvE 2/08 u.a. -, juris, Rn. 240), für deren Wahrung sich die Bundesrepublik in europäischen und internationalen Zusammenhängen einsetzen muss.
 Durch eine vorsorgliche Speicherung der Telekommunikationsverkehrsdaten wird der Spielraum für weitere anlasslose Datensammlungen auch über den Weg der Europäischen
 Union erheblich geringer."

 Diese Aussage ist nun mehr als dreieinhalb Jahre alt. Seitdem haben nicht nur SWIFT, PNR und die Installation zahlreicher staatlicher Verbunddatenbanken,
 E-Government-Systeme und "Abwehrzentralen" Einzug gehalten, alleine die dank Herrn Snowdens erst wirklich gewordene Aufdeckung der umfänglichen Überwachungsmaßnahmen
 zahlreicher Geheimdienste hat zu einem gänzlich neuen allgemeinen Überwachungsdruck geführt, der diese Anmerkung des BVerfG in neuem Licht erscheinen lässt und alleine
 schon die Wiedereinführung einer Vorratsdatenspeicherung verbietet.

 Was noch dazu kommt: Es besteht der Verdacht, dass auch in Deutschland tätige Provider mit Geheimdiensten zusammenarbeiten und/oder Systeme (Hard- oder Software)
 einsetzen, bei denen wir nicht sicher sein können, ob sie nicht eventuell den Anwendern unbekannte Hintertüren enthalten - ein noch weiterer Grund gegen die Vorratsdatenspeicherung.


 Sie schreiben:

 "Insbesondere die von der Richtlinie vorgeschriebene Mindestspeicherdauer von 6 Monaten greift unverhältnismäßig stark in das Grundrecht ein."

 Nein. Jede, auch nur so kurze oder nur in Teilen praktizierte Vorratsdatenspeicherung (wie auch die FDP-Forderung nach einer "nur" IP-Vorratsdatenspeicherung) stellt
 einen die Gesellschaft zerbröselnden Paradigmenwechsel dar, der ohne irgendein vernünftiges Maß demokratiebildende und -bewahrende Grundrechte beschneidet.


 Weiter heißt es in Ihrem Brief:

 "Wir setzen uns auf europäischer Ebene für eine Revision der EU-Richtlinie ein."

 Davon, so unsere Erfahrungen, haben wir in Brüssel bislang nicht viel mitbekommen. Einige von uns von freiheitsfoo haben die Entwicklung in Brüssel seit Jahren mitverfolgt
 und sind in Kontakt mit Vertretern der Europäischen Kommission und mit Mitgliedern des Europäischen Parlaments. Können Sie uns bitte an konkreten Vorgängen belegen, wo
 sich Vertreter Ihrer Partei in Brüssel explizit für eine ehrliche und unabhängige Evaluierung der Richtlinie eingesetzt haben wollen? Welche*r der SPD-EP-Abgeordneten hat
 sich nachweisbar ernsthaft für die Abschaffung der Vorratsdatenspeicherungsrichtlinie eingesetzt?


 Und dann geht es in Ihrem Schreiben wie folgt weiter:

 "Zudem müssen die Telekommunikationsunternehmen gesetzlich verpflichtet werden, mindestens den vom Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 02.03.2010
 festgelegten Datenschutz-Standard zu gewährleisten und aktuellen Entwicklungen anzupassen."

 Wie schon oben angerissen: Sind Sie tatsächlich der Meinung, dass diese derart heiklen Daten in diesem Umfang und in dieser Konstellation der Datenerhebung und -verwahrung
 bei profitorientierten Providern wirklich sicher sein können? Wie hoch schätzen Sie das Restrisiko für unbemerkten oder unveröffentlichten Diebstahl, Missbrauch oder
 Veränderung dieser Daten ehrlicherweise ein und ein wie hohes Restrisiko dieser Art sind Sie bereit zu tragen?


 Schließlich schreiben Sie noch:

 "Um die Garantie der Rechtsstaatlichkeit zu gewährleisten, ist ein qualifizierter Richtervorbehalt vorzusehen."

 Wir möchten Sie inständig darum bitten, sich in den Expertenkreisen innerhalb Ihrer Partei (zum Beispiel bei der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristinnen und
 Juristen, ASJ) danach zu erkundigen, wie es sich in der heutigen Justizpraxis mit so einem "qualifizierten Richtervorbehalt" tatsächlich verhält. Das dürfte allerdings
 nur einer von mehreren Gründen gewesen sein, warum die bei der SPD in dieser AG versammelten Richter, Staatsanwälte und Rechtsexperten die Wiedereinführung einer
 Vorratsdatenspeicherung nachdrücklich ablehnen. Aber damit erzählen wir Ihnen sicher nichts neues. Etwas neues wäre es allerdings, wenn Sie diesen sachverständigen Stimmen
 in Ihrer Partei endlich Gehör und Gewicht schenken würden.


 Wenn Sie uns auf die in unserem Brief aufgeworfenen Fragen antworten möchten, würden wir uns sehr darüber freuen. Noch mehr würden wir uns freuen, wenn Sie endlich
 auf die vor fast zwei Jahren aufgezählten Vorwürfe sachlich eingehen würden.

 Auf jeden Fall versprechen wir Ihnen eine ungekürzte Veröffentlichung Ihrer Stellungnahme, genau so wie wir diesen Brief an Sie als offenen Brief verstehen und der
 daran interessierten Öffentlichkeit zur Verfügung stellen.


 Viele gute Grüße von den Menschen von freiheitsfoo.

 www.freiheitsfoo.de

2.12.2013 Mahnwache Leverkusen


Vor der SPD-Regionalversammlung Mittelrhein/Niederrhein, auf der der große Koalitionsvertrag abgesegnet werden sollte, protestierten ein paar engagierte Menschen gegen die darin enthaltene Absicht, die Vorratsdatenspeicherung wieder einzuführen.

Einen Bericht mit Bildern gibt es hier.

7.1.2014 Pressemitteilung zur Befürwortung des VDS durch den Nds. Innenminister Boris Pistorius (SPD)


Am 7.1.2014 meldet die konservative "Hannoversche Allgemeine Zeitung" auf ihrer Titelseite:

 Niedersachsens Innenminister will Daten auf Vorrat

 Im Konflikt um die Vorratsdatenspeicherung geht Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) auf Distanz zu den von 
 Sozialdemokraten und Grünen geführten Justizministerien in Berlin und Hannover.

 In Berlin hatte Bundesjustizminister Heio Maas (SPD) am Wochenende angekündigt, keinen Gesetzentwurf vorlegen zu wollen, 
 bevor der Europäische Gerichtshof zu Ostern sein Grundsatzurteil zur anlasslosen Speicherung von Verbindungsdaten gesprochen hat.

 Es gäbe aber "aufgrund der Sicherheitserfordernisse ein dringendes Bedürfnis, auch auf Telekommunikationsdaten zuzugreifen", 
 sagte Pistorius am Montag der HAZ. Auch im Internet dürfe es keinen rechtsfreien und strafverfolgungsfreien Raum geben.

 Bei der Umsetzung einer EU-Richtlinie in nationales Recht müsse darauf geachtet werden, "dass wir dem Datenschutz durch 
 hohe Eingriffshürden gerecht werden". Dieses sei aber auch im Koalitionsvertrag auf Bundesebene vereinbart worden.

 Pistorius wies zudem darauf hin, dass das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil 2010 die Umsetzung der EU-Vorgaben zur 
 Vorratsdatenspeicherung nicht aus prinzipiellen Gründen für verfassungswidrig erklärt habe, "sondern aus Gründen ihrer 
 konkreten Ausgestaltung".

 (...)

Wir haben dazu die folgende Pressemitteilung veröffentlicht:

 Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius meldet sich in der heutigen Ausgabe der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (HAZ) 
 mit der Forderung zur Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung zu Wort.

 Von einem "dringenden Bedürfnis aufgrund von Sicherheitserfordernissen" ist die Rede und dass es im Internet "auch keinen 
 rechtsfreien und strafverfolgungsfreien Raum geben dürfe."

 Dazu nimmt die Initiative freiheitsfoo wie folgt Stellung:

 1.) "Das" Internet ist und war niemals "rechtsfreier Raum", sofern man "das Internet" vernünftigerweise überhaupt als "Raum" 
 bezeichnen kann. Straftaten, die mittels Telekommunikation oder mittels TK-Medien begangen werden, werden von der Polizei seit 
 jeher erfolgreich verfolgt - ihre Aufklärungsquote (2011: 65%) liegt deutlich über denen anderer Straftaten außerhalb "des Internets" (54%).

 2.) Einen sachlichen Beleg des "dringenden Bedürfnisses" bleibt Herr Pistorius schuldig, denn eine ständig wiederholte Erzählung 
 schlimmer Einzelfälle, deren Belegbarkeiten in diesem Zusammenhang zudem entweder anzuzweifeln sind oder meistens ganz fehlen, 
 darf niemals als Begründung für die Durchsetzung neuer Gesetzgebungen missbraucht werden. Vor allem dann nicht, wenn damit 
 schwerwiegende Grundrechtseingriffe verbunden sind.

 3.) Die Einführung einer Vorratsdatenspeicherung bedeutet einen juristischen Paradigmenwechsel und die Abkehr vom Grundsatz der 
 Unschuldsvermutung.

 4.) Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil zur Vorratsdatenspeicherung ausdrücklich auf eine anzustellende 
 Überwachungs-Gesamtrechnung hingewiesen. Im Lichte des sich fortlaufend ausweitenden Skandals sich verselbständigender 
 Geheimdienste (auch in Deutschland!) und nach Einführung von SWIFT- und Fluggastdatenspeicherungs-Abkommen ist eine 
 Vorratsdatenspeicherung in Deutschland alleine deswegen nicht mehr tragbar. Der allgemeine Überwachungsdruck ist schon jetzt 
 unerträglich hoch und schadet den Menschen und unserer Gesellschaft.

 5.) Ob der Europäische Gerichtshof die derzeitige EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung "nur" beschränkt, aussetzt oder ganz 
 kippt, ist unsicher. Der EU-Generalanwalt hat aber sehr klar ausgedrückt, dass die derzeitige und seit Jahren von CDU/CSU 
 verteidigte Richtlinie auf jeden Fall mit der in der EU verankerten Grundrechte-Charta unvereinbar ist!

 6.) Die seinerzeit von der EU-Kommission angedrohte Strafzahlung bei Nicht-Umsetzung der somit unhaltbaren EU-Richtlinie ist 
 insofern gar nicht mehr durchsetzbar. Eine solche Strafzahlungsdrohung hat im übrigen das Land Niedersachsen auch nie gekümmert, 
 als es sich über viele Jahre hinweg den Forderungen der EU-Kommission zur Änderung des VW-Gesetzes verweigert hat.

 7.) Im niedersächsischen, rot-grünen Koalitionsvertrag heißt es auf Seite 80: "Die rot-grüne Koalition wird sich auf Europa- und 
 Bundesebene, im Bundesrat und in der Innenministerkonferenz, gegen die derzeit diskutierten Varianten der Vorratsdatenspeicherung 
 einsetzen. Sie hält dieses Verfahren für einen hochproblematischen Eingriff in die Grundrechte." Schnee von gestern?

 8.) Wenn CDU/CSU- und SPD-Politiker öffentlich von Umsetzungszwang oder Alternativlosigkeit der Vorratsdatenspeicherung sprechen, 
 dann offenbart dieses nicht nur ihren Hang zum Populismus sondern belegt auch einen konkreten Mangel an politischer Gestaltungskraft.

 Wir von freiheitsfoo bedauern den einseitigen und offensichtlich innerhalb der niedersächsischen Regierungskoalition unabgesprochenen
 Vorstoß des niedersächsischen Innenministers.

 Wir lehnen jede Form der Vorratsdatenspeicherung kategorisch ab und werden uns bei der Einführung einer solchen Regelung mit allen 
 uns zur Verfügung stehenden technischen Mitteln offen dagegen zur Wehr setzen.

 Privatsphäre und Anonymität sind Grundbedürfnisse menschlichen Lebens und notwendig, damit sich Menschen frei und selbstbestimmt 
 entfalten und entwickeln können, so wie es der Artikel 2 des Grundgesetzes verspricht. Eine Vorratsdatenspeicherung würde 
 beides empfindlich verletzen. Dagegen möchten und werden wir uns einsetzen.


 www.freiheitsfoo.de

Materialien zur Vorratsdatenspeicherung

Kategorie(n): Vorratsdatenspeicherung

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Zuletzt geändert am 13.03.2014 21:00 Uhr