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ArgumenteVÜ

Wofür diese Wikiseite?


Die ausufernde sinnfreie Videoüberwachung ist Symptom einer Gesellschaft im Sicherheitswahn, deren Entscheidungen sich fernab von rationaler Risikobewertung bewegen. Sie hat negative Auswirkungen, die in der Entscheidungsfindung systematisch keine Beachtung finden. Soviel scheint klar. Aber welche genau?

Wir brauchen Argumente für weniger Videoüberwachung, die allgemeinverständlich, konkret und präzise sind.

Wir müssen Argumente für mehr Videoüberwachung analysieren und in einer FAQ widerlegen oder relativieren.

Wer mitdiskutieren will, darf diese Seite gern editieren!

cf. Main.LT-SH-VUE-OEPNV

Externer Verweis: kurz nach 9/11 hat jemand Argumente gegen automatische Gesichtserkennung in der Öffentlichkeit aufgeschrieben, die ebenfalls sehr gut passen http://polaris.gseis.ucla.edu/pagre/bar-code.html (bei Gelegenheit zusammenfassen)

Gliederung von Contra-Argumentationspunkten

Angriffspunkte:

  • Bereits das Vorhandensein von Kameras ist problematisch

Sie können nicht nur ein Sicherheitsgefühl, sondern auch Beklemmung erzeugen. Das wird systematisch ignoriert. Die oberflächliche Zufriedenstellung einer Mehrheit ist keine Legitimation für die Verletzung der Rechte von Minderheiten.

  • Bereits das Filmen ist problematisch

Wird fehlendes Einverständnis ignoriert, so ist das Erheben der Daten ein gemeiner Datenraub. Dieser müsste zumindest bei der Bewertung gegenüber potentiellen Vorteilen für irgendjemanden ins Gewicht fallen.

  • Daten nicht löschen ist problematisch

Sobald Daten nicht-einvernehmlich erhoben werden, erlebt der/die Betroffene einen realen Kontrollverlust darüber, ob die nochmal irgendwo auftauchen. Je systematischer erhoben wird, um so größer die Gefahr. Gesammelte Information über eine Person kann zu ihrem Nutzen, aber auch zu ihrem Schaden verwendet werden.

  • Das Verknüpfen ist problematisch
  • Die Verarbeitung ist problematisch
  • Die flächendeckende Einführung ist problematisch

Es gibt ein gerichtlich festgestelltes Recht, in der Öffentlichkeit nicht systematisch beobachtet zu werden. Bewegungsprofile unbescholtener Menschen sind das Ressort von Diktaturen und laufen einer freiheitlichen Grundordnung zuwider. Flächendeckende Videoüberwachung ist eine Infrastruktur zum Erstellen solcher Profile. Das ist unabhängig von Datenschutzgesetzen oder Versprechungen, die jederzeit aus nichtigem Anlass gebrochen oder abgeändert werden können.

  • Das Vorgaukeln von Sicherheit ist unredlich

Die Versprechen sind nicht haltbar. Niemand kann Sicherheit vor Kriminalität oder Unfällen garantieren. Schon gar nicht mit untauglichen Maßnahmen.

  • ... und gefährlich

Kameras springen nicht von der Wand und stellen sich mutig zwischen Angreifer und Opfer. Das zu suggerieren, ist bizarr.

Bestenfalls kann auf eine abschreckende Wirkung gesetzt werden.

Die Sicherheit wird objektiv verschlechtert, wenn nicht so schnell jemand zur Stelle ist.

Bei "für Ihre Sicherheit" handelt es sich um (mutwillige?) Täuschung.

  • Rückkopplungseffekt:

Schafft das moderne Sicherheitstheater nicht erst die Verunsicherung, die es zu lindern verspricht? Schürt das ständige Bedienen und Herbeireden überproportionierter Ängste eine Paranoia, die selbst zum Problem wird [siehe Köln-Hype] dann wiederum für weitere - von einem wirtschaftsfördernden Effekt abgesehen - nutzlose Maßnahmen genutzt wird?

also:

So langsam ergibt sich ein Bild von einer Sicherheitsindustrie, die auf die Wahrnehmung von Sicherheit einfluss nimmt, indem sie das sichtbare Sicherheitstheater hochschraubt, was ein Unsicherheitsgefühl und ein verstärktes Sehnen nach der Ware "Sicherheit" auslöst, was zu einer Aufstockung der Gelder für "Sicherheit" führt ... dazu passen die Seiten in "Der Nahverkehr" (einer von Nahverkehrsmanagern gelesenen Zeitschrift) ganz gut, wo im Artikel Bahn-Kameras (2009, als die Pläne noch wenig bekannt waren!) als "vom Kunden inzwischen gewünschtem Standard" missrepräsentiert werden und gleichzeitig Werbung von Kameraanbietern erscheint! Eigennutz der "Sicherheits"branche und geschicktes Marketing?

  • Vorwand für neoliberalen Personalabbau

Der Personalabbau, der "alles begründet", ist sozial widersinnig. stellt lieber Personal ein, als technokratische Dystopien zu verwirklichen! Maschinen zum Ersetzen und Maßregeln von Menschen einzusetzen, ist ein fataler Weg.

  • Kommerzieller Missbrauch ist problematisch

Weitergabe / Verkauf / Profilbildung durch dritte.

Gesichtshandel analog zum Adresshandel? Man wird Wege finden, das legal zu machen. Versuche mit Werbetafeln laufen in UK und China, den Vorreitern des legalisierten Datenmißbrauchs.

  • Missbrauch durch einzelne Mitarbeiter ist problematisch

Hält sich jede Person, die jemals Zugriff hat, an die Vorschriften? Wird es zu systematischem Missbrauch kommen, besonders bei Kameras in Läden, deren Leitung sowieso zu dumm ist, um zu kapieren, wo die Grenzen beim Ausspähen von Kunden sind?

  • Missbrauch durch staatliche Stellen ist problematisch

Bereits jetzt existieren illegale Polizeidatenbanken.

Weitergabe an NSA. Dossier bei Einreise in USA (und andere Länder) bereits jetzt relevant.

  • Missbrauch durch Diebe ist problematisch

Wer sich widerrechtlich Zugang zum Datenberg verschafft, sitzt potentiell auf Gold.

  • Das Fehlen von Kontrollmöglichkeiten ist problematisch

Versprechungen sind nichts wert, besonders wenn es um Daten geht! Nur nachprüfbare, auditierbare Sicherheits- und Löschmechanismen wären das. Natürlich ist das schwierig bis unmoglich aber die informationelle Selbstbestimmung ist ein hohes Gut!

  • Die gesetzliche Lage erlaubt das Schaffen vollendeter Fakten. Das ist kontraproduktiv.

Scheibchen für Scheibchen stirbt die Freiheit.

Es ist schwierig, vollendete Fakten zurückzudrehen. Wenn sich die neue Norm der Überwachbarkeit fernab jeder Abwägung etabliert hat, ist es für einzelne Verkehrsbetriebe politisch unmöglich, auszuscheren (Unseriöse Pressehäuser (wie die BILD) hätten allen Anlass, "Datenschutzirrsinn" als vermeintlichen "Täterschutz" anzuprangern).

Es sollte vielmehr vor solch einschneidenden Veränderungen geprüft und ehrlich und inklusiv diskutiert und hinterher stringent und ergebnisoffen evaluiert werden müssen. Ein Grundrechtseingriff muß zweifelsfrei gerechtfertigt werden. -> BDSG-Novelle-Ideensammlung

Stattdessen: lasche und zu wenig Kontrolle. Schlecht ausgestattete und zu fast nichts befugte Aufsichtsbehörden. Ausnahmen überall. Rechtswidrige Überwachungspraxis wird sogar von Innenministern gefördert (Beispiel Schnünemann in NDS).

  • Die Schaffung einer neuen Normalität fernab eines demokratischen Konsenses ist problematisch

Grundrechte sind keine Frage von Umfragen über "gefühlte Sicherheit", sondern für eine informierte Debatte, bei der die Belange von Minderheiten nicht zu kurz kommen dürfen.

  • Zukünftige Ausbaumöglichkeiten sind hochgradig problematisch

Hier können InformatikerInnen ein Lied von singen. Das wird aber systematisch ausgeblendet bzw. schöngefärbt (auch INDECT hatte rosige Propaganda).

  • Normenverschiebung weg von der Freiheit, hin zur totalen Kontrolle

Jede weitere Ausweitung der Überwachung verschiebt das, was als normal hingenommen wird, noch einmal weiter verschiebt und die Grenzen auch. Das kann von allein kein Ende haben, weil das Ziel nie erreicht ist! Stets kann noch irgendwo irgendetwas passieren.

  • Paranoia?

Nicht der Wunsch, ein Wenig Privatsphäre zu behalten, sondern die Vorstellung, auch der letzte kleinste Winkel dürfe nicht unüberwacht bleiben (Panoptizismus), zeugt von Paranoia.

Den hartnäckigsten Einwänden begegnen

Angriffspunkte gegen den gängigen Narrativ ergeben sich schon auf der Meta-Ebene (es findet keine Abwägung statt, stattdessen glaubt man, ein "Supergrundrecht" auf vermeintliche Sicherheit übertrumpfe stets und immer alle Bedenken. Was ist Sicherheit wert, wenn es keine Freiheit mehr gibt? und: Quis custodiet ipsos custodes -- wer überwacht diese Überwacher?).

  • Frage an Befürworter aus den Reihen der Datenschutzbehörden (!): was genau haben Sie an "notwendig und erforderlich" nicht verstanden?

Im Logbuch Netzpolitik 179 wird im Kontext des Verfassungsurteils zum BKA-Gesetz kurz erklärt, was der juristische Grundsatz der Erforderlichkeit bedeutet ("es geht wirklich nicht ohne", das "mildeste Mittel, ohne das es nicht geht"). So wie es auch in Ihrer "Düsseldorfer Kreis"-Erklärung steht.

  • Angebliche Erfolgsgeschichten

Bei angeblichen Fahndungserfolgen "durch" Überwachung ist oft gar kein Vergleich möglich, denn (Zitat wiederfinden) oft ist das nicht der einzige Hinweis, der zur Aufklärung führt (schon mal von Phantombildern gehört?) und bei keiner der Taten kann man mit Sicherheit sagen, ob sie nicht auch ohne aufgeklärt worden wäre! Eine statistische Evaluation wird von den betreibenden Stellen in der Regel vermieden https://netzpolitik.org/2016/ausweitung-statt-evaluierung-berliner-senat-und-die-videoueberwachung/.

  • "Sich gesetzestreu verhaltende Bürger hätten nichts zu befürchten" ist aus verschiedenen Gründen Unfug.

Erstens stimmt es nicht, weil eine Rasterfahndung auch Unbeteiligte in Schwierigkeiten bringt (bis hin zu Hausdurchsuchungen und falschen Anschuldigungen). Jeder Datenberg begünstigt Rasterfahndung; von einer "Balance" kann schon lange nicht mehr die Rede sein.

Zweitens stimmt es nicht, weil Datenberge auch geklaut oder systematisch abgeschnorchelt werden können.

Drittens umfasst "Gesetzestreue" auch Ordnungswidrigkeiten, bei denen niemand zu Schaden kommt. Ich weiss nicht, ob man mit dem Argument viele überzeugt, aber die Konsequenzen einer rigorosen Kontrolle zu spüren zu bekommen, wäre vielen dann doch äußerst unangenehm.

Grundrechte flächendeckend mit Hinweis auf Schutz vor Sachbeschädigung aufzuheben, ist ein starkes Stück.

  • Die immer wieder angeführten Umfragewerte

Ohne Nennung der Fragen sind diese Werte nutzlos. Wenn bei der Formulierung der Antwortmöglichkeit "ja" ein Schutz vor Kriminalität suggeriert wird, ist das unseriös.

Meta-Argumentation

Der Punkt ist: man kann immer noch mehr fordern. Die "Balance" zwischen Freiheit und Sicherheit ist ein Trugbild am Horizont, der Status Quo niemals "sicher" genug weil stets noch etwas passieren kann, das dann als Vorwand für eine weitere Verschärfung herhalten kann. Es handelt sich, um bei physikalischen Analogien zu bleiben, nicht um eine "Balance" sondern um eine schiefe Ebene. Sicherheitsapparat und Angstgesellschaft kennen kein Maß und werden sich langfristig mit keinem noch so krank paranoiden Status Quo zufriedengeben, wenn moderierende Maßnahmen versagen. Es ist auf jeden Fall wichtig, einen Trend in Frage zu stellen, der (selbst wenn er zielfuhrend wäre, was zweifelhaft ist, s.o. ("Sicherheitsillusion")!) sein Ziel nur asymptotisch und nur um einen zu hohen Preis erreichen kann.

Kategorie(n): Videoueberwachung

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Zuletzt geändert am 24.05.2016 13:32 Uhr